Unser Schatz des Monats: Die Chinesische Wollhandkrabbe
© LIB, Mercado-Salas
Unter allen Tieren zählt sie weltweit zu den 100 gefährlichsten Eindringlingen. Für die Forschung am LIB hingegen ist die Chinesische Wollhandkrabbe aus dem Jahr 1924 ein großer Sammlungsschatz. Eriocheir sinensis ist ein deutliches Beispiel dafür, wie der Mensch die Verbreitung von Arten verändert und damit weltweit den Zustand einheimischer Ökosysteme beeinträchtigt.
Der Name der Chinesischen Wollhandkrabbe rührt von ihren haarigen Scheren, die wie Wollhandschuhe aussehen. Die Krabbe ist in den Fluss- und Mündungsgebieten Nord- und Südostchinas sowie Koreas heimisch, kommt aber seit fast 100 Jahren auch in Deutschland vor. Wahrscheinlich wurde sie einst mit Ballastwasser von Schiffen eingeführt.
Der erste Nachweis dieser Art in Deutschland stammt aus dem Jahr 1912 aus der Aller in der Nähe der Stadt Rethem (Niedersachsen). Zwei Jahre später wurde die haarige Krabbe zum ersten Mal in der Elbe nachgewiesen. In den 1920er und 1930er Jahren breitete sie sich rasch in ganz Nordeuropa aus, vor allem in den Mündungsgebieten der westlichen Ostsee und der Nordsee, aber auch im Binnenland, zum Beispiel in der Tschechischen Republik und mehr als 700 Kilometer elbaufwärts bis über Hamburg hinaus.
Einer der ersten Forscher, der sich mit dieser invasiven Art beschäftigte, war Dr. Albert Panning, der von 1920 bis 1957 Kurator der Crustacea-Sammlung am Zoologischen Museum in Hamburg war. Der Wissenschaftler konzentrierte sich darauf, den Umfang und die Art und Weise, wie sich diese Art verbreitete, zu dokumentieren und zu analysieren. So untersuchte er beispielsweise, welche Strategien der Ausbreitung für den Transport der schwimmenden Larven wichtig sind und wie die Wanderungen der in Flussmündungen lebenden Jungtiere aussahen.
Dank der Arbeit von Panning enthält die Crustacea-Sammlung des LIB Hamburg einige der ersten Exemplare, die 1924 in Deutschland gefunden wurden. Die jüngsten Objekte in der wissenschaftlichen Sammlung wurden erst vor wenigen Tagen von lokalen Fischern in der Elbe gesammelt. Insgesamt werden in der Hamburger Sammlung mehr als 150 Exemplare der Wollhandkrabbe bewahrt.
„Für unsere Forschung ist es sehr wichtig, Exemplare der Wollhandkrabbe über Jahrzehnte oder mittlerweile über ein Jahrhundert hinaus zu sammeln“, betont Dr. Nancy Mercado Salas, Leiterin der Sektion Crustacea im Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB), Hamburg. „Viele kleine Veränderungen können nur dank der Naturhistorischen Sammlungen untersucht werden, so auch im Fall der Wollhandkrabbe: Anhand dieser Sammlungsobjekte und der mit ihnen verbundenen Informationen (z. B. Datum, Ort, Gewässereigenschaften) konnten wir im Detail untersuchen, wie sich diese Tiere in Deutschland verbreitet haben und welche Umweltfaktoren für ihr Überleben und ihre Etablierung wichtig sind. Wir können auch analysieren, wie sich die Populationen im Laufe der Jahre verändert haben, z. B. sind ausgewachsene Tiere aus den 20er Jahren größer als die in den letzten Jahren gesammelten. Außerdem untersuchen wir die genetische Variation zwischen verschiedenen geografischen Populationen – also ob und wie sich diese verändert.“
Die Chinesische Krabbe stellt eine erhebliche Gefahr für die lokalen Ökosysteme und die einheimische Tierwelt dar, da sie einheimische Arten stark verdrängt. Es wurde errechnet, dass diese haarigen Krabben seit ihrer Ankunft in Deutschland einen finanziellen Schaden von mehr als 80 Millionen Euro verursacht haben! Die Krebse wühlen derart den Gewässerboden auf, dass sie erhebliche Schäden zum Beispiel an Deichen verursachen. Sie verstärken die Erosion in Flussböschungen und treten zuweilen in solchen Massen auf, dass sie Wasserfilter an Flüssen verstopfen. Auch für die kommerzielle Fischerei und Teichwirtschaft sind sie ein Problem, nicht nur, weil sie Fischernetze zerstören. Sie verzehren auch Fische, die sich in Reusen und Netzen verfangen haben.
Aber die Wollhandkrabbe wird nicht überall auf der Welt als Problem angesehen, tatsächlich gilt Eriocheir sinensis als eine der kommerziell wertvollsten Krabben für die Zubereitung traditioneller Delikatessen in Ost- und Südostasien. Ihre Keimdrüsen werden besonders geschätzt und gehören in China, Japan und Singapur zu den besonderen Leckerbissen. Ihr Marktwert für die industrielle Verwendung und den menschlichen Verzehr liegt auf asiatischen Märkten bei 1 bis 3 €/kg. „Obwohl ihr Verzehr bislang von der Europäischen Union nicht genehmigt ist, könnte diese Verwendung eine Möglichkeit sein, ihre Populationen zu reduzieren oder zu kontrollieren“, gibt Dr. Oliver Hawlitschek, Manager im Molekularlabor des LIB in Hamburg, zu bedenken. „So ist man auch anderen invasiven Arten auf der ganzen Welt begegnet.“
Am 25. September stellt Dr. Oliver Hawlitschek bei der Veranstaltung „Eat this -Veränderung geht durch den Magen“, im Rahmen der Hamburger Klimawoche die Wollhandkrabbe vor.
Mehr Informationen:
Veranstaltung
„Eat this -Veränderung geht durch den Magen“, am 25. September in Hamburg, Anmeldung: https://tagderstadtnaturhamburg.de/eat-this
Invasive Arten in Hamburg:
Das Portal www.neobiota-hamburg.de informiert über invasive Arten in Hamburg. Hier gibt es nicht nur Informationen über Krebstiere, sondern auch über Vögel, Fische, Insekten und Weichtiere. Und: Es können Funde gemeldet werden.
Kontakt:
Dr. Nancy Mercado Salas
Leitung Sektion Crustacea
Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels, Hamburg
Zoologisches Museum
Tel.: +49 40 42 838-2278
E-Mail: nancy.mercado.salas@uni-hamburg.de
Dr. Oliver Hawlitschek
Manager Molekularlabor
Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels, Hamburg
Zoologisches Museum
Tel.: +49 40 42 838-9772
E-Mail: Oliver.Hawlitschek@uni-hamburg.de