Nach mehr als 340 Jahren bringt die Forschung neues Licht in die Geschichte eines der bekanntesten Objekte des Museums der Natur Hamburg (Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels, LIB): Der zweizahnige Narwal „Mona Lisa“, lange Zeit als einziges weibliches Tier seiner Art bekannt, ist ein Männchen. Das zeigen genetische Analysen, die ein internationales Wissenschaftsteam unter Beteiligung des LIB durchgeführt hat. Die Ergebnisse wurden nun im Journal Ecology and Evolution veröffentlicht.
Das Exemplar mit der Katalognummer ZMH-S-10192, 1684 von einer niederländischen Walfangexpedition nach Hamburg gebracht, galt über Jahrhunderte als Sensation. Es war das vermeintlich einzige bekannte Weibchen mit zwei Stoßzähnen. Nun zeigt die neue Untersuchung eindeutig:
„Das Hamburger Exemplar ist – wie alle anderen bislang bekannten zweizahnigen Narwale – ein Männchen“, erklärt Prof. Thomas Kaiser, Leiter der Sektion Mammalogie & Paläoanthropologie am LIB, der an der Studie beteiligt war.
Wissenschaft als Prozess des Dazulernens
Für das internationale Forschungsteam unter Leitung von Forschenden aus Grönland und Dänemark war der Hamburger Schädel ein Schlüsselobjekt in einer umfassenderen Untersuchung, die eigentlich der Frage nachging, ob ungewöhnliche Zahnausprägungen – etwa zwei oder besonders geformte Stoßzähne – die Ernährungsweise von Narwalen beeinflussen. Die Forschenden wollten herausfinden, ob solche Zahnanomalien dazu führen könnten, dass die Tiere andere Beutetiere jagen oder ihre Nahrung auf andere Weise aufnehmen.
Durch DNA-basierte Geschlechtsbestimmung und Isotopenanalysen des Knochenkollagens konnten die Forschenden sowohl das Geschlecht als auch langfristige Aspekte der Nahrungsökologie rekonstruieren. Dabei zeigte sich: Die zweizahnigen Tiere unterscheiden sich in ihrer Ernährungsweise nicht von gewöhnlichen Narwalen. Gleichzeitig belegten die genetischen Daten eindeutig, dass auch das Hamburger Exemplar – anders als lange angenommen – ein Männchen war.
Ein historisches Flugblatt aus dem Jahr 1684 hatte bislang nahegelegt, dass es sich bei dem in Hamburg aufbewahrten Tier um ein weltweit einzigartiges Stück handle – ein zweizähniges Narwal-Weibchen. Dieses überlieferte Dokument prägte über Jahrhunderte das Bild der sogenannten „Mona Lisa“ des Museums.
„Die erst neuerdings verfügbaren wissenschaftlichen Methoden weisen nun zweifelsfrei nach, dass unsere Hamburger ‚Mona Lisa‘ - anders als ein historisches Dokument bisher immer nahelegte - tatsächlich ein Männchen ist“, sagt Prof. Matthias Glaubrecht, Projektleiter Neues Naturkundemuseum (Evolutioneum) am LIB. „ Ich freue mich, dass es in Zusammenarbeit mit dem Team in Kopenhagen gelungen ist, die historischen Dokumente durch neue Befunde zu überprüfen. Ein Rätsel bleibt dabei allerdings, wie die Geschichte eines Narwal-Weibchens einst entstanden ist.“
„Auch aus der Perspektive der Wissenschaftskommunikation sind die neuen Erkenntnisse ein Gewinn“, ergänzt Prof. Simone Rödder, Leiterin des Zentrums für Wissenstransfer am LIB. „Sie machen deutlich, dass Wissenschaft ein steter Prozess des Hinterfragens und Dazulernens ist. Nicht zuletzt zeigen die neuen Befunde den Wert des Sammelns und Archivierens, für den das Museum der Natur Hamburg steht.“
Seltene Rarität – und lebendige Wissenschaftsgeschichte
Weltweit sind nur rund zwanzig zweizahnige Narwale bekannt. Das Hamburger Exemplar bleibt damit eines der seltensten Schaustücke seiner Art – und zugleich ein eindrucksvolles Zeugnis dafür, wie moderne Forschung historische Irrtümer korrigieren kann.
Die Geschichte des Wals erzählt, wie sich Wissen verändert – und wie wichtig Museen sind, um solche Erkenntnisse auch Jahrhunderte später noch zu ermöglichen.
Publikation:
Louis M, Rey-Iglesia A, Routledge J, de Jager D, Skovrind M, Heide-Jørgensen MP, Kaiser TM, Kovacs KM, Lydersen C, Rosing-Asvid A, Szpak P, Lorenzen ED:
Impact of Tusk Anomalies on the Long-Term Foraging Ecology of Narwhals. Ecology and Evolution. Ecology and Evolution, 2025; 15:e72376
Pressekontakt
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