Mit neu entwickelten Kamerafallen und Künstlicher Intelligenz wollen Forschende im LEPMON-Projekt den Bestand an Nachtfaltern in Deutschland ermitteln. Auch mit weiteren, ungewöhnlichen Ansätzen untersuchen und schützen LIB-Forschende nachtaktive Insekten. Anlässlich der Earth Night, die Menschen dazu aufruft, das Licht für eine Nacht auszuschalten und so Lichtverschmutzung zu reduzieren, stellen wir diese Projekte vor.
Der Apparat hört auf den Namen „ARNI“. Er steht an acht Orten in Deutschland – zum Beispiel in Bonn, im Park hinter dem Museum Koenig. Dort zeigt Dr. Peter Grobe, wie der „Automatisierte Rekorder für nachtaktive Insekten“ in der Dunkelheit Nachtfalter anzieht, damit ein bundesweites Forscherteam und eine große Zahl von freiwilligen Helfern den Bestand und seine Veränderungen systematisch erfassen kann. „Alle zwei Minuten macht die Kamera ein Bild von einer Scheibe, auf der die Insekten sitzen“, erklärt der Biodiversitätsinformatiker am Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB). Angelockt werden sie von einem UV-Licht, das sie dazu bringt, sich auf der Scheibe niederzulassen. Die Dokumentation startet in der Dämmerung und geht bis zum frühen Morgen. „Eine Stunde vor Sonnenaufgang wird die Lampe abgeschaltet“, erklärt Peter Grobe, „dann können die Nachtfalter noch wegfliegen, um sich vor Tagesanbruch vor Vögeln oder anderen Angreifern zu schützen“.
Die Kamerafalle „ARNI“ ist Teil des LEPMON-Projektes, an dem ein interdisziplinäres Team beteiligt ist, darunter Forschende aus Jena, Halle, Leipzig, Marburg und Bonn. Die Projektleitung liegt beim Institut für Zoologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, die auch für die Errichtung der Kamerafallen zuständig ist. Das LIB in Bonn entwickelt die Infrastruktur rund um Datenerhebung und -verwaltung. Außerdem stellt das LIB das Webportal zur Verfügung (https://lepmon.de) und entwickelt ein Datenportal, das einen Überblick über alle Ergebnisse geben soll. LEPMON steht dabei für die „Erfassung der Biodiversität von Nachtfaltern mit automatisierten Kamerafallen und künstlicher Intelligenz“. Die Abkürzung setzt sich zusammen aus Lepidoptera und Monitoring, also die Dokumentation von Nachtfaltern.
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Insgesamt verfolge das Projekt drei Ziele, erklärt Peter Grobe vom LIB. Es soll zeigen, wie sich der Bestand der Nachtfalter in Städten von ländlichen Regionen unterscheidet, wie sich Biodiversität mithilfe von Künstlicher Intelligenz erfassen lässt und wie sich die Arbeit freiwilliger Bürgerinnen und Bürger sowie von Expertinnen und Experten auf die Erfassung der Biodiversität auswirkt.
Auch wenn mit diesem Projekt für Forschungszwecke in die Lebensweise der Nachtfalter eingegriffen wird: „Unsere Erkenntnisse können dann später dazu beitragen, Kommunen und Unternehmen zu sensibilisieren und so die Biodiversität der Nachtfalter zu schützen“, so Peter Grobe.
Weniger Lichtverschmutzung verbessert das Leben von Insekten
Das LEPMON-Projekt fügt sich ein in eine Reihe von LIB-Forschungsansätzen, die das Ziel haben, mehr über die Insekten der Nacht zu erfahren. Die Forschung soll dazu beitragen, dass die Tiere sich frei entfalten können und helfen, die Lichtverschmutzung in Städten zu reduzieren. Denn viele Insektenarten leiden unter dem Verlust der natürlichen Dunkelheit: Künstliches Licht irritiert die Tiere, sie schwirren um Lampen herum und werden daran gehindert, sich um Nahrung zu kümmern und sich zu vermehren. Sie werden auch leichte Beute für hungrige Tiere, zum Beispiel für Fledermäuse. Schätzungen gehen davon aus, dass alleine in Deutschland in jeder warmen Nacht eine Milliarde Insekten durch Lichtverschmutzung bedroht sind, weil sie durch Lichtquellen am Boden und im Himmel in ihrem natürlichen Verhalten irritiert werden und häufig sterben.
Mehr Insektenschutz durch wärmeres Licht an Bahnhöfen
Ein Problem, das auch das Deutsche Zentrum für Schienenverkehrsforschung beim Eisenbahn-Bundesamt und die Deutsche Bahn InfraGO AG erkannt haben. Deshalb arbeiten sie mit dem LIB in einem Forschungsprojekt „BALIN - Insektenschutz an Bahnhöfen durch Reduzierung der Lichtverschmutzung“ zusammen. Darin wird untersucht, wie sich die Beleuchtung auf Bahnhöfen auf das Verhalten von Insekten auswirkt. Vom LIB waren unter anderem Dr. Marianne Espeland, Leiterin der Lepidoptera-Sammlung – also der wissenschaftlichen Sammlung von Schmetterlingsarten –, und Doktorandin Carmen Ludreschl am Projekt beteiligt. „Wir konnten an ausgewählten Testbahnhöfen in Brandenburg erforschen, welche Auswirkungen verschiedene Beleuchtungsarten auf Insekten haben. Dabei konnten wir feststellen, dass die Insekten von unterschiedlichen Lampen auch unterschiedlich stark angelockt wurden“, erklärt Dr. Marianne Espeland. Die Ergebnisse stehen derzeit noch vor der Veröffentlichung. Welche konkreten Maßnahmen sich für die Beleuchtung der Bahnhöfe daraus ableiten lassen, muss also noch geprüft werden.
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Kunstprojekt zu Biodiversität an Bonner Bahnhof
Um zudem mehr Menschen auf das Problem der Lichtverschmutzung aufmerksam zu machen, wurde der Bahnhof „UN Campus“ in Bonn von Künstlern mit Graffitis überdimensionaler Insekten gestaltet. Das Projekt mit dem Namen "Art meets Biodiversity" zeigt Wandmalereien von Insektenarten, die durch künstliches Licht bei Nacht gestört werden und rückt die Tiere auf ungewöhnliche Weise ins Bewusstsein der Bahnfahrenden. So sind zum Beispiel ein Glühwürmchen, ein Brauner Bär und ein Weinschwärmer auf den Malereien der Künstler Kai "Semor" Niederhausen und Roman "Jack Lack" de Laporte zu sehen. Diese Kunstaktion wurde im Auftrag von go.Rheinland und der Deutschen Bahn (DB) in Zusammenarbeit mit LIB Forschenden und dem Verein InUrFaCE e. V. durchgeführt.
Insektenzählen mit Mensch und KI
Das LEPMON-Projekt will langfristig ebenfalls einen Beitrag zur Reduzierung der Lichtverschmutzung leisten – auch wenn es noch ganz am Anfang steht. Gestartet ist es im Dezember 2024, seit April sind die Kameras aktiv und teilweise noch im Aufbau. „Inzwischen liegen von den acht Standorten schon rund acht Terabyte Daten und 150.000 Bilder vor“, sagt Peter Grobe.
Die Daten sollen mithilfe von Menschen und mit Künstlicher Intelligenz ausgewertet werden. Dabei setzt das Projekt auch auf Citizen Science, also auf die Mithilfe von interessierten Bürgerinnen und Bürgern, die auf diese Weise Gelegenheit bekommen, sich aktiv in laufende Forschungsprojekte einzubringen. Sie sollen die Ergebnisse einer Künstlichen Intelligenz überprüfen, die für das LEPMON-Projekt entwickelt wurde. Die KI wird eingesetzt, um die Nachtfalter auf den Bildern der Kamerafallen zu erkennen und zu bestimmen. Wie viele mitmachen und wie sie ausgewählt werden, ist zurzeit noch offen – und auch, welche Anreize es geben kann, sich im Projekt zu engagieren: „Wir denken da an Ideen aus dem Bereich Gamification, welche von der Forschenden der Universität Marburg entwickelt werden“, sagt Peter Grobe.
Das Hochladen der Bilder, die Speicherung der Daten, die Weitergabe an KI und Expertinnen und Experten, die Analyse und die Darstellung der Ergebnisse - all das liegt in der Verantwortung des LIB. Es lasse sich aber nur stemmen mit der gebündelten Expertise aller Projektpartner und mit der finanziellen Unterstützung des Bundesministeriums für Forschung, Technologie und Raumfahrt, welches das Projekt mit knapp 1,8 Millionen Euro unterstützt und die Datenerhebung in acht Städten von Bremen über Bonn bis Regensburg möglich macht. Wer sich mit einer eigenen Kamerafalle beteiligen möchte, kann auch selbst aktiv werden. Für Vereine oder Privatpersonen sind Geräte für den Heimgebrauch in der Entwicklung. Sie können im eigenen Garten aufgestellt werden – um Licht zu bringen in den Bestand der Nachtfalter in Deutschland.
Mehr Informationen:
https://leibniz-lib.de/de/forschung/projekte/lepmon.html
Ansprechperson Projekt “LEPMON”
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Ansprechperson Projekt “BALIN”
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