Mit dem Exzellenzcluster PhenoRob – Robotik und Phänotypisierung für nachhaltige Nutzpflanzenproduktion geht die Universität Bonn neue Wege: Robotik, Sensorik und ökologische Forschung sollen zusammenwirken, um die Landwirtschaft zukunftsfähig zu machen. Kürzlich wurde der Zuschlag für eine zweite Förderphase bis 2032 erteilt. Einer der Principal Investigators dieser zweiten Phase ist Prof. Dr. Christoph Scherber vom LIB. Im Interview spricht er über die Rolle des LIB im Forschungscluster, die Bedeutung ökologischer Expertise – und darüber, wie eine neue Art von Landwirtschaft Wirklichkeit werden kann.
Herr Scherber, Sie sind mit dem LIB Teil des Exzellenzclusters PhenoRob. Wie kam es dazu?
Ich war schon in der ersten Phase von PhenoRob beteiligt, damals aber ohne eigene Projektmittel. Die Idee zur Zusammenarbeit entstand, als ich ans LIB in Bonn kam. Ich hatte großes Interesse an Freiflächen für Feldforschung, und durch den Kontakt zur Agrarökologie in Bonn ergab sich der Zugang zu den Versuchsgütern der Universität. Daraus entstand eine enge Verbindung – fachlich wie methodisch.
Was ist PhenoRob eigentlich genau?
PhenoRob ist ein interdisziplinäres Exzellenzcluster, das im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert wird. Es ist das einzige dieser Art im Bereich Agrarwissenschaften. Das Ziel ist es, die Nutzpflanzenproduktion nachhaltiger zu gestalten, indem moderne Technologien wie Robotik, Sensorik, KI-gestützte Datenanalyse und Phänotypisierung eingesetzt werden. Dabei geht es nicht nur um Technik, sondern auch um ökologische und ökonomische Fragestellungen. Die Universität Bonn leitet das Cluster, beteiligt sind aber viele weitere Institutionen – auch außeruniversitäre.
Und welche Rolle spielt das LIB konkret?
Wir bringen die Perspektive der Biodiversitätsforschung ein. In der zweiten Phase von PhenoRob wurde bewusst ein stärkerer Fokus auf Umweltwirkungen gesetzt – also auf die Frage: Wie beeinflussen neue landwirtschaftliche Technologien die biologische Vielfalt? Wir erfassen etwa die Vielfalt von Bestäubern, analysieren Interaktionen zwischen Pflanzen, Insekten und Unkrautarten und entwickeln Methoden, um Biodiversität verlässlich zu messen. Das LIB ist dabei Partner mit hoher Expertise im Bereich Monitoring, Taxonomie und Umweltanalyse.
Klingt nach einem Brückenschlag zwischen Technik und Ökologie.
Ganz genau. Die große Stärke von PhenoRob ist die Verbindung unterschiedlicher Disziplinen: Informatik, Robotik, Agrarwissenschaft, Ökonomie – und eben Ökologie. Das Ziel ist eine Landwirtschaft, die digital präzise, ökonomisch tragfähig und gleichzeitig ökologisch verantwortungsvoll ist. Wir arbeiten zum Beispiel daran, wie Roboter punktuell düngen oder Pflanzenschutz betreiben können – in einer Weise, die Biodiversität nicht schädigt, sondern fördert.
Wie realistisch ist das? Viele Technologien klingen noch sehr futuristisch.
Tatsächlich sind viele Lösungen bereits im Einsatz. Es gibt Roboter wie den „FarmDroid“, die schon heute im Biozuckerrübenanbau eingesetzt werden. Traktoren sind vielfach mit Sensoren ausgestattet, Drohnen liefern präzise Daten über Boden und Pflanzen. Auch kamerabasierte Pflanzenschutzspritzen, die bei 30 km/h Unkräuter erkennen und gezielt spritzen, sind Realität. PhenoRob ist hier so etwas wie ein Innovationstreiber – viele der Ideen gehen in die Praxis oder in Unternehmensgründungen über.
Werden durch Automatisierung Arbeitsplätze gefährdet?
Die Landwirtschaft ist bereits hochgradig automatisiert. Der Fokus liegt heute auf Effizienzsteigerung, nicht auf Verdrängung. PhenoRob zielt darauf ab, Umwelteinträge zu reduzieren, nicht Personal zu ersetzen. Es geht um einen ökologischen Wandel: weniger Pflanzenschutzmittel, gezieltere Düngung, ressourcenschonender Umgang mit Boden und Wasser – das ist auch im Interesse der Betriebe.
Wie ist Ihre persönliche Rolle im Cluster?
Ich bin einer von rund 25 sogenannten Principal Investigators – also Teil der wissenschaftlichen Leitung. Unser Beitrag als LIB liegt vor allem im Bereich Agrarökologie und Systemanalyse. Wir untersuchen, wie sich verschiedene Anbausysteme – etwa Mischkulturen statt Monokulturen – auf die biologische Vielfalt auswirken. Dazu führen wir Experimente durch und begleiten diese mit umfangreichem Monitoring, unter anderem durch Kameratechnik und Umwelt-DNA.
Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit den anderen Disziplinen?
Als sehr bereichernd. Ich arbeite mit Expertinnen und Experten aus den Bereichen Informatik, Ökonomie und Agraringenieurwesen zusammen – viele Kooperationen sind neu, manche ergeben sich aus früheren Projekten. Besonders spannend ist der Austausch, wenn es darum geht, ökologische Anforderungen in technologische Lösungen zu übersetzen. Es entstehen viele Schnittstellen, zum Beispiel, wenn Kameratechnik nicht nur Pflanzen erkennt, sondern auch Insekten.
Und was haben Verbraucherinnen und Verbraucher davon?
Im besten Fall entstehen klare Kriterien für nachhaltige Produkte. Denkbar wäre ein Biodiversitäts-Score, ähnlich wie der Nutri-Score – der zeigt: Dieses Produkt wurde biodiversitätsfreundlich erzeugt. Wir brauchen Instrumente, um ökologische Qualität sichtbar zu machen. Gleichzeitig verschiebt sich die Verantwortung dann auch zur Industrie und Politik, nicht nur zum einzelnen Einkauf. Denn am Ende geht es um eine gemeinsame Verantwortung für unsere Lebensgrundlagen.
Gibt es politischen Einfluss?
Ja, PhenoRob ist nicht nur forschungsstark, sondern politisch gut vernetzt. Einige Beteiligte beraten Ministerien oder EU-Institutionen. Ziel ist es, mit wissenschaftlicher Evidenz in politische Prozesse hineinzuwirken – etwa bei Agrarförderprogrammen oder neuen Umweltgesetzen. Wenn unsere Forschung hilft, Systemeffekte besser zu verstehen, dann kann sie auch politische Lösungen ermöglichen, die über kurzfristige Einzelmaßnahmen hinausgehen.
Was braucht es aus Ihrer Sicht für einen echten Wandel?
Ein systemisches Denken. Viele politische Debatten bleiben monokausal: „Mehr Blühstreifen“, „weniger Spritzmittel“. Das greift zu kurz. Wir müssen das Gesamtsystem Landwirtschaft neu denken: Wie hängen Klima, Boden, Pflanzen, Tiere, Ökonomie und Gesellschaft zusammen? Welche Stellschrauben haben wir? PhenoRob bietet dafür ein ideales Umfeld – und mit dem LIB tragen wir dazu bei, dass Biodiversität nicht als Nebenschauplatz, sondern als zentrale Zielgröße verstanden wird.
Wissenschaftliche Ansprechperson
- Leitung Zentrum für Biodiversitätsmonitoring und Naturschutzforschung (zbm)
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