Hamburg soll ein neues, zukunftsweisendes Naturkundemuseum mit Forschungslaboren und wissenschaftlicher Sammlung erhalten. Das hat die Bürgerschaft 2021 einstimmig beschlossen. Die Prüfung verschiedener Standorte durch den Senat kommt zu dem Zwischenergebnis, dass die Unterbringung des neuen Naturkundemuseums im Elbtower in der HafenCity eine attraktive und wirtschaftliche Lösung darstellt. Damit rückt das Ziel näher, dem Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) ein modernes Forschungs- und Ausstellungshaus an prominenter Stelle zur Verfügung zu stellen.
Die Freie und Hansestadt Hamburg hat 2021 einen Staatsvertrag mit dem Land Nordrhein-Westfalen zur Gründung des Leibniz-Instituts zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) geschlossen, durch den das Centrum für Naturkunde der Universität Hamburg (CeNak) mit dem Zoologischen Forschungsmuseum Alexander-Koenig-Leibniz-Institut für die Biodiversität der Tiere (ZFMK) in Bonn zusammengeführt wurden. Kernbestandteil des Staatsvertrags ist die Errichtung eines modernen Naturkundemuseums in Hamburg.
In diesem Zuge prüft der Senat seit 2022 mögliche Standorte für ein integriertes Forschungsmuseum, bestehend aus Ausstellungsflächen, Laboren und Sammlungsarchiven. Aufgrund der hohen Anforderungen ist die Prüfung komplex und zeitaufwändig. Sie umfasst bauliche, rechtliche, wirtschaftliche, verkehrliche sowie stadtentwicklungspolitische Fragestellungen. Untersucht werden insbesondere die Baufelder 51 und 74/75 in der HafenCity, die Hera-Halle Süd in Bahrenfeld sowie der Besenbinderhof und das ehemalige G+J-Gebäude am Baumwall, die dem Senat aus der Privatwirtschaft heraus angeboten wurden. Auf Initiative des Unternehmers Dieter Becken prüft der Senat ebenfalls eine Unterbringung im Elbtower an den Elbbrücken.
Die bisherigen Prüfungen zeigen: Unter allen Varianten zeichnet sich der Elbtower als qualitativ bester und wirtschaftlichster Standort ab. Die baulichen Prüfungen, die zusammen mit dem LIB durchgeführt wurden, kommen zu dem Ergebnis, dass der Elbtower alle technischen und räumlichen Anforderungen erfüllt. Die Prüfungen der zuständigen Behörden (Finanzbehörde mit der Hamburger Gesellschaft für Vermögens und Beteiligungsmanagement mbH (HGV) und der Sprinkenhof GmbH, Wissenschaftsbehörde und Stadtentwicklungsbehörde mit der HafenCity Hamburg GmbH (HCH)) haben ergeben, dass der Elbtower unter anderem aufgrund seiner zentralen Lage an den Elbbrücken, der hervorragenden Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, der Nähe zu natürlichen Grünflächen sowie der hohen Sichtbarkeit und Publikumswirksamkeit ein idealer Ort für das neue Museum darstellt. Es ist davon auszugehen, dass das Naturkundemuseum im Elbtower eine hohe Anziehungskraft entfalten und ein besonderes Zeichen für Wissenschaft und Forschung in Hamburg setzen würde. Zudem ist der Standort Elbtower von allen geprüften Varianten auch am schnellsten zu realisieren.
Um die Standortauswahl erfolgreich abzuschließen, verhandelt der Senat unter Federführung der HGV direkt mit dem Bieterkonsortium um die Becken Development GmbH, das in exklusiven Verhandlungen mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter der Elbtower-Eigentümergesellschaft über eine Fortführung des
Elbtower-Projekts steht. Zentrale Punkte dabei sind die vertraglichen Bedingungen zum möglichen Erwerb von Teileigentum am Elbtower für das Naturkundemuseum sowie eine potenzielle Verringerung der angestrebten baulichen Höhe der Immobilie um zwölf Büroetagen.
Im nächsten Schritt soll ein Senatsbeschluss zur Fortführung der Verhandlungen mit dem Konsortium eingeholt werden. Ziel ist eine möglichst zeitnahe Befassung der Bürgerschaft unter Vorlage einer vollständigen Kosten-Nutzen-Analyse nach § 7 LHO. Die Bürgerschaft entscheidet dann final über die Standortwahl.
Prof. Dr. Bernhard Misof, Generaldirektor des Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels: „Die Entscheidung ist gefallen und wir freuen uns sehr, nun mit dem neuen Naturkundemuseum auf die Zielgerade zu gehen. Der Elbtower ist ein stadtprägendes Gebäude, das unsere zentralen Anforderungen an ein integriertes Forschungsmuseum erfüllt: nämlich, die Bereiche Forschung, Sammlung, Ausstellung und Vermittlung an einem Ort mit einander zu verzahnen. Zudem sind wir dort an den Elbbrücken mit Blick auf die Nähe zu wichtigen Museen und Bildungseinrichtungen der Stadt an einem hervorragenden Standort angesiedelt. Wir sind bestens vorbereitet, jetzt in die konkrete weitere Umzugsplanung zu gehen.“
Dr. Peter Tschentscher, Erster Bürgermeister: „Mit seiner hervorragenden Lage, der direkten Anbindung an das U- und S-Bahn-Netz und seiner markanten Architektur bietet der Elbtower ausgezeichnete Voraussetzungen für ein neues Naturkundemuseum. Die Prüfungen und Verhandlungen mit der Investorengruppe zur Fertigstellung des Elbtowers haben ergeben, dass die Realisierung des Naturkundemuseum im Elbtower technisch möglich und im Vergleich mit einer Eigenrealisierung der Stadt auch wirtschaftlich vorteilhaft ist. Für den Senat ist es wichtig, dass die Fertigstellung des Elbtowers in der Verantwortung und Federführung der privaten Investoren bleibt und die Stadt über einen Erwerb des Teileigentums für das künftige Naturkundemuseum hinaus keine wirtschaftlichen Risiken aus dem Projekt übernimmt. Der Kaufpreis für das Teileigentum und den Einbau des Naturkundemuseums soll dabei vertraglich fest abgesichert werden. Ich freue mich, dass mit diesem Vorgehen zwei Ziele der Stadt gleichzeitig erreicht werden können: Hamburg erhält ein attraktives neues Naturkundemuseum und die HafenCity kann mit der Fertigstellung des Elbtowers an den Elbbrücken städtebaulich vollendet werden.“
Katharina Fegebank, Zweite Bürgermeisterin: „Als vor knapp einem Jahr die Idee aufkam, das Naturkundemuseum eventuell im Elbtower entstehen zu lassen, hatte das für mich sofort großen Charme. Für mich war immer klar: Wenn es technisch machbar und die wirtschaftlichste Lösung ist, sollten wir das so machen. Heute zeigt sich: Es geht technisch und ist die wirtschaftlichste Lösung. Und damit ist es auch insgesamt der beste Weg. Für das Naturkundemuseum, aber auch für die ganze Stadt und alle ihre Besucherinnen und Besucher, die von diesem neuen Highlight enorm profitieren werden.“
Dr. Andreas Dressel, Finanzsenator: „Wir wollen hier aus der Not eine Tugend machen. Auf der einen Seite ein gestopptes Immobilienprojekt, auf der anderen Seite unsere staatsvertragliche Verpflichtung, für das Naturkundemuseum ein Zuhause mit weltweiter Strahlkraft zu errichten. Wir haben jetzt die Chance, eine Unterbringung des Naturkundemuseums in einem 45 Meter kleineren Elbtower zu erreichen. Gegenüber einer städtischen Eigenrealisierung können wir damit – je nach Variante – bis zu 230 Mio. Euro sparen. Uns ist klar, dass die neue städtische Positionierung zu diesen Projekten für viele Menschen in der Stadt erklärungsbedürftig ist: Aber ich bin als Finanzsenator verpflichtet, nach § 7 der Landeshaushaltsordnung die jeweils wirtschaftlichste Option einer Projektrealisierung anzustreben. Wenn der substanziell verkleinerte Elbtower sich nun mit Abstand als die wirtschaftlichste Option herausstellt, ist es nicht nur möglich, unsere Position zu verändern, wir sind dazu sogar verpflichtet, die neue Sachlage zu berücksichtigen. Wir werden deshalb jetzt die angestrebte Vereinbarung unter Wahrung aller städtischen Interessen finalisieren und der Bürgerschaft zur abschließenden Beratung und Beschlussfassung vorlegen. Das Parlament muss und wird auch in dieser Angelegenheit das letzte Wort haben.“
Maryam Blumenthal, Wissenschaftssenatorin: „Mit dem neuen Naturkundemuseum bekommt Hamburg ein Zentrum für eines der größten Themen unserer Zeit: der Biodiversitäts- und Evolutionsforschung. Als Forum für innovative Bildungs- und Veranstaltungsprogramme soll es mit seinen wertvollen Sammlungen ein Leuchtturm des Hamburger Wissenschaftsstandorts werden. Wir haben dem LIB ein ideales Zuhause versprochen – und das bekommt es! Die nahezu abgeschlossenen intensiven Prüfungen haben ergeben, dass der Elbtower sowohl qualitativ als auch wirtschaftlich die beste Option ist. Das ist eine große Chance: An einem besonders sichtbaren Eingang in unsere Stadt, an der Schnittstelle beider Elbseiten, zentral gelegen und direkt an die Natur angebunden könnte deutlich früher als bislang gedacht ein integriertes Forschungsmuseum mit jährlich mehreren Hunderttausend Besucherinnen und Besuchern entstehen. Forschung, Sammlung und Museum unter einem Dach – ein Ort des Dialogs, ein starkes Zeichen für Hamburgs Engagement in Wissenschaft, Biodiversität und Klimaschutz und ein klares Signal: In Hamburg ist die Wissenschaft zuhause!“
Karen Pein, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen: „Es ist gut, dass wir nun – zwei Jahre nach Baustopp – eine Lösung dafür haben, wie der Elbtower mit einem Hamburger Konsortium fertig gebaut werden kann. Unsere Prüfungen kommen zu dem Ergebnis, dass die Idee des Hamburger Konsortiums um die Firma Becken, das Naturkundemuseum im Elbtower unterzubringen und diesen um zwölf Bürostockwerke zu kürzen, ein für Hamburg in vielfacher Hinsicht vorteilhafte Lösung sein kann und so ein Rückerwerb und Abriss des Gebäudes verhindert werden kann. Die HafenCity kann so ihren geplanten, eindrucksvollen Abschluss mit der gewünschten öffentlichen Nutzung erhalten.“
Standortsuche und Wirtschaftlichkeitsuntersuchung
Um einen Standort für das Naturkundemuseum zu finden, hat eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe zahlreiche Möglichkeiten im Hamburger Stadtgebiet geprüft. Beteiligt waren die Wissenschaftsbehörde, die Senatskanzlei, die Behörde für Finanzen und Bezirke, die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen, die Kulturbehörde, die Umweltbehörde sowie weitere städtische Akteure. Die anfänglich 13 möglichen Standorte haben sich zuletzt auf fünf verdichtet. Hierbei handelt es sich um sowohl städtische als auch private Flächen, Bestandsimmobilien und Neubauoptionen. Ein qualitativer Vergleich dieser fünf potenziell geeigneten Standorte steht kurz vor dem Abschluss.
Eine der finalen fünf Optionen in der engeren Auswahl ist ein städtischer Neubau auf den Baufeldern 74/75 am Lohsepark in der HafenCity. Dieser würde die Stadt rund 824 Mio. Euro kosten und gilt aufgrund seiner grundsätzlichen Übertragbarkeit als Referenzpunkt für die weiteren Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen. In Anlehnung an den Referenzwert und im Vergleich mit den weiteren umsetzbaren Optionen stellt eine Unterbringung im Elbtower die derzeit aussichtsreichste und wirtschaftlichste Realisierungsvariante dar. Insbesondere ein Teilerwerb des Elbtowers könnte als wirtschaftlichste Option infrage kommen. Außerdem könnte bei einem Teilerwerb das neue Naturkundemuseum die Räumlichkeiten im Vergleich zum Neubau deutlich früher, kostengünstiger und ohne Übernahme eigener Baurisiken beziehen.
Unabdingbare Voraussetzungen für einen Teilerwerb sind, dass im Sinne eines Pauschalfestpreisvertrags sämtliche zur vollständigen, mangelfreien, abnahmereifen, genehmigten, funktions- sowie betriebsbereiten und schlüsselfertigen baulichen Fertigstellung des Naturkundemuseums erforderlichen Planungs-, Bau-, Liefer- und sonstigen Leistungen durch die Verkäuferseite erbracht würden. Das bedeutet, dass die Stadt erst nach Fertigstellung des Elbtowers zur Zahlung verpflichtet wäre. Gegenstand der Verhandlungen ist der Erwerb von rund 46.000 m² Sondereigentumsfläche inklusive mitbenutzender Gemeinschaftsfläche zu einem Preis von maximal 595 Mio. Euro.
Die Unterbringung des Naturkundemuseums im Elbtower könnte sich in ein weiterentwickeltes Gesamtnutzungskonzept des Elbtowers integrieren. Neben einer Nutzungsmischung aus Hotelbetrieb, Büros, Gastronomie und Tiefgarage könnten das neue Naturkundemuseum die unteren Stockwerke, die von Beginn an für publikumsintensive Nutzungen vorgesehen waren, nutzen. Gleichzeitig würde eine Verringerung der ursprünglich geplanten Gebäudehöhe von 245 Metern um circa 46 Meter angestrebt. Damit läge die maximale Gebäudehöhe bei circa 199 Metern. Die Verringerung der Höhe beruht auf dem Entfall von 12 Bürogeschossen.
Nach aktuellem Stand sind diese gemeinsam mit dem Entwurfsarchitekten entwickelten Veränderungen, insbesondere die verringerte Höhe des Elbtowers, städtebaulich verträglich.
Hintergrund: Naturkundemuseum
Das neue Naturkundemuseum soll die Hamburger Sammlungs-, Arbeits- und Laborräume sowie den Ausstellungs- und Bildungsbereich des LIB unter einem Dach vereinen. Ziel ist ein modernes Forschungsmuseum, das nicht nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammenbringt, sondern auch jährlich Hunderttausende Besucherinnen und Besucher anzieht.
Das LIB erforscht weltweit die Ursachen und Folgen des Biodiversitätswandels und entwickelt Lösungen für den Schutz von Ökosystemen und Arten. Rund 16 Millionen Objekte gehören zu den Sammlungen, davon etwa 10 Millionen in Hamburg – eine einzigartige wissenschaftliche Ressource. Mit dem neuen Museum entsteht erstmals eine große Dauerausstellung zur Evolution in Deutschland. Momentan wird die naturkundliche Sammlung Hamburgs zumindest teilweise in den drei Museen „Museum der Natur Hamburg – Zoologie“, „Museum der Natur Hamburg – Geologie-Paläontologie“ und dem Museum der Natur Hamburg – Mineralogie“ rund um den Campus der Universität ausgestellt.