Schon im Alter von zwölf Jahren wollte Timo Moritz alles über Haie wissen. Immer weitere Fragen führten ihn schließlich in die Wissenschaft. Als neuer Kurator der Fischsammlung im Museum der Natur Hamburg des LIBs erforscht er nun die Vielfalt der Fische von der Larve bis zum erwachsenen Tier. Dass er sich an seinem neuen Arbeitsplatz erst einmal um die gute Unterbringung eines Riesenhais kümmern würde, hätte er sich als Zwölfjähriger sicher nicht träumen lassen.
Was treibt Sie als Forschender an?
Neugier, der Wunsch, etwas zum Wissen der Menschheit beizutragen und die Hoffnung, dass Wissensgewinn zum Handeln führt, konkret zum Erhalt der biologischen Vielfalt und zum Schutz von Lebensräumen.
Was hat Sie zur Biologie geführt?
Das Interesse oder besser eine große Begeisterung für Tiere hatte ich schon immer. Bereits im Kindergarten wollte ich ‚Forscher im Dschungel‘ werden. Mit etwa zehn Jahren hatte ich die typische Dinosauerierphase und mit zwölf wollte ich alles über Haie wissen. Im Prinzip bin ich noch immer in dieser Phase.
Was bedeutet Natur für Sie persönlich?
Natur ist für mich die Umwelt, die uns Menschen das Leben auf der Erde ermöglicht. Nicht nur darum müsste der Erhalt der Natur eigentlich ein zentrales Anliegen von uns allen sein. Wenn ich mich von Stress erholen muss – aber gerne auch zu anderen Anlässen – gehe ich raus in die Natur, um Tiere zu beobachten - gerne auch zu fotografieren. Das ist für mich die beste Möglichkeit, mich zu erholen. Zum Glück gibt es noch sehr schöne Naturorte – einige davon in meiner Wahlheimat Mecklenburg-Vorpommern.
Krebse, Fische, Schmetterlinge: Wer hat Ihre ganz persönliche Zuneigung und wieso?
Außer Parasiten und Krankheitserregern mag ich alle Tiere. Zwar arbeite ich mit Fischen und hatte schon tolle Begegnungen mit Teufelsrochen, Zitterwelsen und Blauhaien. Aber auch viele andere Tierarten hinterlassen bleibende Eindrücke, vor allem, wenn man sie gezielt aufsuchen möchte und investierte Zeit und Mühen dann von Erfolg gekrönt sind.
Was sind die Highlights Ihres Berufsalltags?
Neue Dinge zu entdecken, die Evolution wieder ein bisschen besser nachvollziehen zu können, und wenn ich meine Begeisterung für Natur und Wissenschaft durch Vorträge, Vorlesungen, oder Publikationen weitergeben kann.
Aus diesem Grund hat Ihre Forschung Auswirkungen auf die Gesellschaft:
Ich bin ein überzeugter Grundlagenforscher. Das heißt nicht, dass die Forschung um ihrer selbst willen gemacht wird, sondern dass erst dadurch die Grundlagen für angewandte Forschung und Naturschutz gelegt werden. Auch halte ich den ständigen Wissenszuwachs für den grundlegenden Antrieb der menschlichen Zivilisation.
Was ist für Sie die größte Herausforderung auf dem Gebiet des Umweltschutzes? Wie engagieren Sie sich hier persönlich?
Für den Erhalt von Arten, Lebensräumen und Ökosystemleistungen müssen wir unbedingt einige ungestörte und viele wenig gestörte Gebiete erhalten. Diese können als Keim von Wiederbesiedlung fungieren, wenn wir es woanders doch mal wieder übertrieben haben. Ich hoffe, mit meiner Forschung dazu beitragen zu können, dass das allgemeine Verständnis und die Akzeptanz von komplett geschützten Gebieten (no-take-areas) zunimmt und irgendwann zu einer Selbstverständlichkeit wird.
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Was wären Sie geworden, wenn es mit der Biologie nicht funktioniert hätte?
Dann hätte ich irgendeinen Beruf gemacht und Biologie als Hobby betrieben. Aber eigentlich war das keine Option.
Wie würden Sie Ihre Arbeit Menschen erklären, die nichts mit Biologie zu tun haben?
Ich erforsche, wie viele Fischarten es gibt, wie sie miteinander verwandt sind und wie die Evolution abgelaufen ist, so dass es zur heutigen Vielfalt kam. Dafür schaue ich mir vor allem die Skelette von Fischen an und wie sich diese von der Larve bis zum Erwachsenen verändern.
Können Sie Ihren Forschungsschwerpunkt noch genauer beschreiben?
Ich möchte den Stammbaum der Fische verstehen und auch, was da in der Evolution genau passiert ist, wie sich Merkmale verändert oder überhaupt erst gebildet haben. Dafür ist es erst mal unerheblich, ob der Fisch hier aus der Gegend stammt oder aus dem brasilianischen Regenwald oder sonst woanders her. Aber ich arbeite auch gerne draußen im Feld und habe deswegen natürlich auch den Bezug zum Beispiel zur Ostsee. Für Feldarbeit war ich aber schon an vielen Orten: in mehreren afrikanischen Ländern und in Surinam, Taiwan, Norwegen und im Mittelmeerraum.
Welche Aufgabe hat die Wissenschaft im LIB für Sie?
Das LIB ist eine der großen Institutionen in Deutschland, die die Vielfalt der Natur erforschen. Wissenschaftliche Arbeitsweisen stellen sicher, dass wir über Fakten und überprüfbare Hypothesen sprechen. Entscheidungen müssen auf Grundlage solcher Erkenntnisse getroffen werden und nicht auf Grund des politischen Zeitgeistes oder gefühlter Wahrheiten, wenn wir nachhaltig und verantwortungsvoll handeln wollen.
Was sind Ihre Highlights in der Fischsammlung?
Eines, womit wir gerade schon viel zu kämpfen haben, ist ein Riesenhai, der durch seine Größe etwas Besonderes ist, aber dessen Unterbringung auch eine Herausforderung darstellt. Und ansonsten gibt es hier sehr viel einzigartiges Typen-Material von Fischen, für das wir eine besondere Verantwortung haben. Insgesamt ist die Sammlung ein wirklicher Schatz.
Welchen Rat haben Sie für junge Biologen, die ihre Karriere beginnen?
Zu Anfang der Karriere sollte man offen für neue Ideen und Eindrücke sein. Wenn man aber das Themenfeld gefunden hat, das man wirklich machen möchte, dann sollte man diesen Weg weitergehen. In ein Themenfeld zu wechseln, was mehr berufliche Erfolgsaussichten verspricht, das man aber eigentlich weniger spannend findet, kann ich nicht empfehlen. Wenn man in der Biologie erfolgreich sein möchte, muss man mit viel Engagement, Begeisterung und Herzblut dabei sein. Für mich ist die Arbeit als Biologe ein abwechslungsreicher, erfüllender und glücklich-machender Beruf.
Was war denn die Hauptmotivation, am LIB anzufangen?
Die riesige Sammlung, die es hier gibt. Ich habe hier die Möglichkeit, umfassend in einem Umfeld mit einer sehr guten Infrastruktur zu forschen. Ganz wichtig sind dabei die fachlich versierten Kolleginnen und Kollegen. Zusammen können wir die Forschung zu Fischen gut voranbringen.
Dr. Timo Moritz promovierte nach seinem Biologiestudium in Tübingen an der Universität Würzburg zu westafrikanischen Savannenfischen. Anschließend arbeitete er als Postdoc am Natural History Museum London an Studien zur Evolution der Flösselhechte. Von 2010-2025 war er Kurator für Fische am Deutschen Meeresmuseum (DMM), Stralsund, wo er ab 2012 auch die Abteilungsleitung für Wissenschaft und Forschung übernahm. 2021 legte Timo Moritz seine Habilitation in Zoologie an der Universität Jena ab; ein Jahr später habilitierte er sich in Meeresbiologie an der Universität Rostock. Am 1. Juni übernahm der gebürtige Tübinger die Sektionsleitung der Ichthyologie am LIB in Hamburg und ist hier zudem als Kurator für die Fischsammlung verantwortlich.