Wie können Wissenschaft und Kommunikation helfen, die Biodiversitäts- und Klimakrise zu bewältigen? Wie lässt sich der Dialog zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft beleben? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Soziologin und Wissenschaftsforscherin Simone Rödder. Seit dem 1. Oktober leitet sie das Zentrum für Wissenstransfer im LIB. Ein Gespräch über persönliche Vorlieben sowie Chancen und neue Wege in der Wissenschaftskommunikation.
Was bedeutet Natur für Sie persönlich? Gibt es einen Lieblingsort in der Natur?
Ich gehöre zu den Menschen, die bei der Frage „Meer oder Berge?“ im Freundebuch beides ankreuzen, weil ich mich nicht entscheiden kann. In beiden Landschaften kann ich mich wunderbar erholen. In Hamburg ist der Botanische Garten in Klein Flottbek mein Lieblingsort, weil sich die Präsentation der Vielfalt der Pflanzen dort mit dem Ziel des Wissenstransfers verbindet. Auch beim Spaziergang im Naturschutzgebiet Eppendorfer Moor gibt es mitten in der Großstadt Hamburg diverse Tier- und Pflanzenarten zu entdecken.
Was treibt Sie als Forschende an?
Vor über hundert Jahren schrieb der Soziologe Max Weber über die Wissenschaft als Beruf: „Nichts ist für den Menschen als Menschen etwas wert, was er nicht mit Leidenschaft tun kann.“ Diese Leidenschaft, vor allem die Neugier und das Bedürfnis, Zusammenhänge zu verstehen, ist für mich der wichtigste Antrieb für meine wissenschaftliche Arbeit.
Was hat Sie zur Biologie und dann zur Wissenschaftsforschung geführt?
Biologie habe ich studiert, um Wissenschaftsjournalistin zu werden. Im Hörsaal war ich extrem fasziniert von der Begeisterung, mit der gerade die Lehrenden aus der Zoologie ihre Sammlungen und Spezialgebiete vorgestellt haben. Wir hatten einen Professor, der vermutlich mehr über einen bestimmten Hummer wusste, als irgendjemand sonst auf der Welt. Für mich habe ich schnell gemerkt, dass mich die Leidenschaft der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für ihre Forschungsgegenstände mehr fasziniert als der Hummer. Ich wollte verstehen, wie Wissenschaft als ein soziales System funktioniert, wie es dazu kommt, dass wissenschaftlichem Wissen in unserer Gesellschaft eine besondere Autorität eingeräumt wird, und mittels welcher Arten von Kommunikation dies gelingt. Ich hatte dann das Glück, an der Universität Bielefeld in einem interdisziplinären Graduiertenkolleg zur Soziologie, Philosophie und Geschichte der Wissenschaft mit einer Arbeit zur Medialisierung der Humangenomforschung zu promovieren, und damit den Weg in die Wissenschaftsforschung einzuschlagen.
Inwieweit hat Ihre Forschung und die Museumsarbeit Auswirkungen auf die Gesellschaft?
In meinen aktuellen Forschungsprojekten beschäftige ich mich mit verschiedenen Aspekten der Wissenschaftskommunikation, der wissenschaftlichen Politikberatung und der Museumsarbeit zu den großen Nachhaltigkeitsproblemen Biodiversitätsverlust und Klimawandel, zu in der Öffentlichkeit weniger sichtbaren Themen wie den Ewigkeits-Chemikalien oder PFAS sowie zur Corona-Pandemie. Gerade die Erfahrungen mit der Pandemie haben deutlich gemacht, wie essenziell ein besseres Verständnis von Wissenschaftskommunikation in Krisensituationen ist und wie wichtig es ist, für zukünftige Herausforderungen besser vorbereitet zu sein.
Wie möchten Sie die Begegnung und den Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft fördern?
Als neue Leitung des Zentrums für Wissenstransfer freue ich mich sehr darauf, gemeinsam mit meinem Team in Bonn und Hamburg die zahlreichen etablierten Formate der Wissenschaftskommunikation am Naturkundemuseum weiterzuentwickeln. Dazu zählt etwa die Verzahnung von schulischer Bildung mit dem außerschulischen Lernort Museum, eines der vielversprechendsten Formate in der Wissenschaftskommunikation. Die Museen bieten einen einzigartigen Raum für den Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Es ist mein Ziel, diese Plattformen für einen offenen Austausch zu nutzen, neue Anknüpfungspunkte zu schaffen und Innovationen im Bereich der Wissenschaftskommunikation zu fördern.
Wie möchten Sie im LIB die Themen zum Biodiversitätswandel und zur Soziologie verbinden?
Mir ist es ein besonderes Anliegen, meine soziologische Forschung zu Wissenschaft mit der Praxis der Biodiversitätskommunikation in den Museen zu verzahnen. Forschung, Lehre und Museumsarbeit sollen sich gegenseitig bereichern und voneinander lernen. Dafür werde ich unter anderem ein neues Kolloquium initiieren, in dem im Wechsel spannende Gäste aus Wissenschaft und Praxis ihre Perspektiven vorstellen und zur Diskussion anregen. So soll ein lebendiger Austausch entstehen, der neue Impulse für Forschung und Vermittlung schafft.
Wie verbinden Sie Ihre Tätigkeiten an der Universität Hamburg und dem LIB?
Als Professorin habe ich schon immer gerne interdisziplinär gearbeitet und forschungsorientiert gelehrt, diese Erfahrungen bringe ich nun auch im LIB ein - jetzt in meiner Position als Professorin für Soziologie, insbesondere Wissenschaftskommunikation und Museumsentwicklung der Uni Hamburg. Aktuelle transdisziplinäre Projekte wie der Aufbau eines Wissenstransfer-Netzwerks zu Obstbauböden im Alten Land passen inhaltlich ideal zu den Schwerpunkten des LIB. Ich freue mich darauf, zukünftige Projekte gemeinsam umzusetzen und dabei eng mit den anderen Zentren des LIB zusammenzuarbeiten.
Was ist für Sie besonders spannend im LIB?
Zunächst freue ich mich darauf, mein Team und die vielfältigen Aktivitäten des Wissenstransfers am LIB besser kennenzulernen. Besonders spannend ist für mich die Begegnung mit den Besucherinnen und Besuchern der Museen in Hamburg und Bonn – ihre Sichtweisen, ihre Fragen und ihr Interesse an aktuellen Wissenschaftsthemen bereichern unser Tun und die Ausrichtung unserer Angebote. Und nicht zuletzt blicke ich erwartungsvoll auf das neue Gebäude am Standort Hamburg, das für den Wissenstransfer ganz neue Möglichkeiten eröffnen wird.
Prof. Dr. Simone Rödder leitet seit dem 1. Oktober das Zentrum für Wissenstransfer im LIB. Gleichzeitig hat sie eine Professur für Soziologie, insbesondere Wissenschaftskommunikation und Museumsentwicklung, am Fachbereich Sozialwissenschaft an der Universität Hamburg übernommen.
Nach dem Abschluss ihres Biologiestudiums an den Universitäten Mainz und Glasgow promovierte Simone Rödder 2008 an der Universität Bielefeld in Wissenschaftssoziologie. Parallel dazu absolvierte sie eine Journalistenausbildung und arbeitete freiberuflich für führende Wissenschaftsredaktionen. Nach Tätigkeiten als Gastwissenschaftlerin an diversen Instituten und Projektleiterin in einem BMBF-Projekt war sie von 2017 an als Juniorprofessorin für Soziologie, insbesondere Wissenschaftsforschung, an der Universität Hamburg (UHH) tätig, unter anderem im Exzellenzcluster „Climate, Climatic Change, and Society“ (CLICCS). 2024 habilitierte sie sich an der UHH mit einer Arbeit zur Umstrittenheit von Klimaexpertise.
Ansprechperson
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