Die Geschlechter bei Fischen – eine komplizierte Geschichte

Tilapia ruweti, ein afrikanischer Buntbarsch bei der Pflege des Geleges. © LIB, Geiger

 

„Es ist kompliziert“, schmunzelt LIB-Forscherin Astrid Böhne. Während bei uns Säugetieren die gleichen Geschlechtschromosomen für die Festlegung des Geschlechts verantwortlich sind, kann sich dies bei anderen Tierarten wie bei Buntbarschen selbst zwischen ganz nah verwandten Schwesterarten unterscheiden. Eine jüngst erschienene Studie legt nun den Grundstein, um der wirklichen Rolle des genetischen Konflikts bei der Entstehung von Geschlechtschromosomen auf die Schliche zu kommen.

Die Mechanismen der Geschlechtsbestimmung sind mannigfaltig: Umweltfaktoren wie die Inkubationstemperatur des Eis, genetische Systeme oder komplexe Kombinationen verschiedener Signale sind bekannt. In einigen Tiergruppen ist der Weg konserviert, alle Säugetiere haben so dieselben Geschlechtschromosomen (XY). In anderen Gruppen besitzen selbst die nächstverwandten Arten unterschiedliche Systeme. Dr. Astrid Böhne, Sektionsleiterin für Vergleichende Genomik am Museum Koenig Bonn, fokussiert sich seit Jahren auf die genetische Geschlechtsbestimmung und erforscht Geschlechtschromosomen bei afrikanischen Buntbarschen. Sie hat so bereits gezeigt, dass Buntbarsche des Tanganjikasee überproportional viele Wechsel des Chromosoms, welches das Geschlecht bestimmt, aufweisen.

In der nun erschienenen, umfangreichen Literaturübersicht der letzten vier Jahre zeigt das Team um Böhne, gemeinsam mit ihren Promovierenden Sophie Smith und Kevin Hsiung, dass die Zahl der Entdeckungen von Geschlechtschromosomen auf der Grundlage von DNA-Sequenzierungen und neu erstellten Referenzgenomen drastisch zugenommen hat. Die meisten Studien bleiben jedoch nach Aussagen des Teams aber Erklärungsversuche schuldig, wie diese entstanden sind oder stabil in einer Population bestehen bleiben. „Zum einen muss es Mechanismen geben, die dem Wechsel von Geschlechtschromosomen entgegenwirken. Wir haben uns hier darauf konzentriert die Datenlage zusammenzufassen, die beleuchtet ob bei der Entstehung und Fixierung von neuen Geschlechtschromosomen Geschlechterkonflikt eine treibende Kraft ist.“ sagt Astrid Böhne.

Solche sexuellen Konflikte sind insbesondere bei Fischen bekannt, bei denen sich Männchen und Weibchen häufig farblich stark unterscheiden oder unterschiedlich groß werden können. Ein Konflikt entsteht, wenn die gleichen Gene bei beiden Geschlechtern für diese Merkmale verantwortlich sind. Ihr Team stellte jedoch fest, dass in vielen Artikeln Geschlechterkonflikte für die Entstehung von Geschlechtschromosomen auf allgemeiner Ebene diskutiert werden, die direkten Nachweise dafür jedoch fehlen.

Bisher gebe es aber nur sehr wenige Studien, die tatsächlich experimentelle Belege für Geschlechterkonflikte und ihre Rolle bei der Evolution der Geschlechtschromosomen präsentieren. Jetzt sei es an der Zeit, den Schatz an neu entdeckten Geschlechtschromosomen in einer Vielzahl von Arten zu heben, ihn durch funktionelle und molekulare Analysen zu ergänzen und die Ergebnisse in einen größeren Kontext zu stellen, um die Dynamik der Evolution der Geschlechtschromosomen zu verstehen.

Astrid Böhne hat dazu nun mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft Gelegenheit, diese Fragen mit ihrem Team am LIB zu erforschen. Sie beschäftigen sich mit Buntbarschen, Seenadeln und Seepferdchen.

 

Originalpublikation:

Evaluating the role of sexual antagonism in the evolution of sex chromosomes: new data from fish. by Sophie Smith, Kevin Hsiung, Astrid Böhne (2023) Curr Opin Genet Dev, Volume 81, August 2023, 102078. Available online 26 June 2023, Version of Record 26 June 2023.(impact factor: 4), PMID: 37379742 doi: 10.1016/j.gde.2023.102078

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