Neue Form der Ameisengesellschaft breitet sich artübergreifend aus

Solenopsis invicta Feuerameisenkönigin mit Arbeiterinnen und einer Puppe. © Libbrecht & Wurm

 

Artübergreifende Ausbreitung einer neuen Form der Ameisengesellschaft in Feuerameisen: Ein „soziales Supergen“, das die Erbinformation für eine neue soziale Organisation enthält, entwickelte sich in einer Feuerameisenart und wurde an andere Arten weitergegeben. Ein internationales Forschungsteam mit Dr. Eckart Stolle vom LIB, Museum Koenig Bonn hat diese Ergebnisse nun veröffentlicht. Die alternative Lebensform bietet den Ameisen einen evolutiven Vorteil.

Rote Feuerameisen (Solenopsis invicta) bildeten ursprünglich nur Kolonien mit einer Königin. Vor etwa einer Million Jahren entwickelten sie eine neue Sozialform, bei der Kolonien mit Dutzenden Königinnen vorkommen. Eine bestimmte Version eines großen Chromosomenabschnitts, das so genannte „soziale Supergen“, enthält die genetische Information, die notwendig ist, damit die Arbeiterinnen mehr als eine Königin akzeptieren. Im Rahmen der aktuellen Forschungsarbeit, die in Nature Communications veröffentlicht wurde, wurden die gesamten Genome von 365 männlichen Feuerameisen analysiert, um die Entwicklung des sozialen Supergens zu untersuchen.

Die Übertragung großer Mengen genetischer Informationen zwischen verschiedenen Arten ist aufgrund genetischer Inkompatibilitäten selten. In diesem Fall jedoch überwogen die Vorteile mehrerer Königinnen, sodass sich das genetische Material wiederholt von der einen Ausgangsart, in der sich diese neue Sozialform entwickelt hatte, auf andere Arten verbreitete. „Die soziale Organisation mit mehreren Königinnen bietet Vorteile in verschiedenen Situationen. So verfügt eine Kolonie mit mehreren Königinnen über mehr Arbeiterinnen und kann daher eine Kolonie mit nur einer Königin überflügeln. Außerdem ist es bei einer Überschwemmung weniger wahrscheinlich, dass eine Kolonie mit mehreren Königinnen ohne Königin da steht“, erklärt Dr. Eckart Stolle, Sektionsleiter Vergleichende Genomik (Insekten) am LIB, Museum Koenig Bonn.

Dr. Yannick Wurm, Dozent für Evolutionäre Genomik und Bioinformatik an der Queen Mary University of London und Fellow des Alan Turing Institute, führt aus: „Die Forschungsergebnisse zeigen, wie sich evolutionäre Innovationen über Arten hinweg verbreiten können, und wie Evolution auf der Ebene der DNA und der Chromosomen funktioniert. Es war erstaunlich zu entdecken, dass andere Arten durch Hybridisierung eine neue Form der sozialen Organisation erwerben konnten. Die Supergen-Region, die Multi-Königinnen-Kolonien hervorbringt, ist ein größerer Chromosomenabschnitt, der Hunderte von Genen enthält. Die vielen Teile eines Genoms entwickeln sich so, dass sie in fein abgestimmter Weise zusammenarbeiten, so dass es kompliziert und recht selten ist, plötzlich eine Mischung mit verschiedenen Versionen mehrerer Gene einer anderen Art zu haben.

Rodrigo Pracana, zusammen mit Eckart Stolle Erstautor der Studie, ebenfalls von der Queen Mary University of London, ergänzt: „Unsere Studie zeigt, wie die detaillierte Analyse einer großen Anzahl von Wildtieren überraschende neue Erkenntnisse darüber liefern kann, wie die Evolution funktioniert.

 

Kontakt

Dr. Eckart Stolle
Sektionsleiter Vergleichende Genomik (Insekten), LIB Museum Koenig Bonn
Tel. +49 228 9122-421
e.stolle@leibniz-lib.de

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