Titel des Projekts
Adaptive Radiation im Tanganjikasee
Leitung
Prof. Dr. Matthias Glaubrecht
Promotionsprojekt: Wencke Krings (2015-2020)
Org. Einordnung
Abteilung Biodiversität der Tiere
Beschreibung
Tanganjika-See als einzigartiger Lebensraum
Der Tanganjika-See ist der größte und tiefste Grabenbruchsee Afrikas. Dieser Langzeitsee wird als evolutionärer Hotspot der Artenbildung gesehen, der für mehr als 10 Millionen Jahre stabile Umweltbedingungen bot: eine einzigartige Möglichkeit für Diversifikation und trophische Spezialisierung.
Als ein wichtiger Schlüsselfaktor der adaptiven Radiation bei Schnecken erscheint eine tropische Spezialisierung mittels der Radula. Dieses Organ zur Nahrungsaufnahme- und Verarbeitung bei Gastropoden weist eine enorme morphologische Vielgestaltigkeit auf.
Die Disparität der Radulae wird einerseits als phylogenetisches Erbe, andererseits aber auch als Antwort auf Umweltanforderungen angesehen. Insbesondere die Funktionsweise des Organs wurde bislang aber nur in Grundzügen untersucht.
Schnecken-Zähne im Fokus der Forschung
Im Projekt werden am Beispiel der Familie Paludomidae aktuelle Methoden der Form-, Material- und Funktionsanalyse eingesetzt, um an die Grundlagenforschung zu Radiation und Evolution anzuknüpfen. Es wird geprüft, ob Zweige einer Radiation als Antwort auf das Angebot an Nahrungs- und Substratnischen gelten können.
Untersuchungen der Radulazähne sowie deren Härte und Elastizität in Kooperation mit der Abteilung Funktionelle Morphologie und Biomechanik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel zeigten, dass nicht nur die Zähne, sondern auch ihre Einbettung oder Verankerung mit der ökologischen Nische korrelieren.
Die Zähnchen erfüllen zudem verschiedene Funktionen: Manche lösen die Nahrung vom Substrat, andere rächen sie danach zusammen. Diese Ergebnisse werden durch mathematische Fraßsimulationen gestützt.
Was die Schalengröße über die Schnecken verrät
Ein weiterer Schwerpunkt des Projektes beschäftigt sich mit der Annidation getrieben durch Schalengröße: Die Paludomidenarten des Tanganyika-Sees stechen durch immense Größenunterschiede zwischen den adulten Tieren heraus.
Dies ist ein starkes Indiz dafür, dass die Arten durch unterschiedliche Körpergröße Konkurrenz vermeiden oder reduzieren. Für die Untersuchung wird auf biometrische Datensätze tausender Tiere zurückgegriffen, die ausgewertet und mit der Ökologie der Tiere in Zusammenhang gebracht werden.
Promotionsprojekt: „Trophic specialization of paludomid gastropods from ‘ancient’ Lake Tanganyika reflected by radular tooth morphologies and material properties“, Wencke Krings (2020)
- Wissenschaftl. Projektleiter Neues Museum / Evolutioneum
- Sektionsleitung Brückenprofessur Biodiversität der Tiere
Tel.: +49 40 238317 595
E-Mail: m.glaubrecht@leibniz-lib.de