Wo Evolution und Schöpfung Hand in Hand gingen: Das Elisabeth-Fest 2023

V. l. n. r.: Bernhard Misof, Museum Koenig Bonn; Manuel Hetzinger,Katholisches Bildungswerk Bonn; Martina Kampers Gemeindereferentin im Pfarrverband Bonn-Süd; Toni Bohnenberger, Katholisches Bildungswerk Bonn; das Wolf-Exponat aus dem Museum Koenig Bonn – der Publikumsliebling bei den Gästen. © H. Weller/SCHAUFENSTER Bonn

 

Das Elisabeth-Fest lockte im November nicht nur Gläubige in die Bonner St. Elisabeth Kirche: Rund 1.500 Teilnehmende besuchen Veranstaltungen in der katholischen Kirche, im Museum Koenig Bonn und weiteren Veranstaltungsorten. Die Veranstaltung war eine Kooperation mit dem LIB, auf der auch über die Natur und den Einfluss von uns Menschen diskutiert wurde. Geleitet wurde das Fest von Toni Bohnenberger, Pädagoge beim Katholischen Bildungswerk, der auch LIB-Generaldirektor Bernhard Misof für Diskussionen auf die Bühne holte. Wir haben mit beiden über die außergewöhnliche Kooperation gesprochen:

Wie kam es zur Zusammenarbeit zwischen der Kirche, dem Katholischen Bildungswerk und dem LIB?

Bernhard Misof:

Hierbei war es ganz einfach: Menschen sind zusammengekommen, hatten eine tolle Idee und haben gesagt „Das machen wir“! Vor ein paar Jahren gab es ein Konzert, auf dem ich den Kantor der Katholischen Kirche St. Elisabeth in Bonn kennengelernt habe. Hier entstand die Idee, geistes- und naturwissenschaftliche Gedanken und Ansätze miteinander auszutauschen. Ein Jahr später kamen wir wieder zusammen und haben das Katholische Bildungswerk dazugeholt. So sind wir auf die Idee und Umsetzung des Elisabethfests gekommen. Hauptgedanke dabei war: Wir sind alle mit einem dramatischen Verlust der Artenvielfalt und immer maroder werdenden Ökosystemen konfrontiert. Aber auch mit einem Wandel in der Gesellschaft, was das Demokratieverständnis und die Interpretation von Wissen anbelangt. In den ersten Austauschrunden mit der Kirche und dem Katholische Bildungswerk haben wir hier viele Überschneidungen entdecken können, wo wir als Institute eine positive Entwicklung anstoßen können. Unabhängig davon, woran wir glauben oder was wir wissen, haben wir alle einen Auftrag, gemeinsam unsere Lebensgrundlage zu verbessern.

Toni Bohnenberger:

Das Thema mit der Artenvielfalt und dem Missbrauch des Menschen an der Natur sind Themen, mit denen wir uns schon viele Jahre in der Kirche auseinandersetzen. Selbst seitens der aller obersten Ebene – des Papstes – kam es 2015 mit der „Laudato si“ auf die Agenda. Aber wie es meist mit politischen Entscheidungen auf oberster Ebene ist: Hier wird zunächst ein Stein ins Rollen gebracht, der erst über die Jahre dann an Fahrt aufnimmt. Das Elisabethfest war für uns eine passende Gelegenheit, dieses Thema publik zu machen und an die Menschen heranzutragen. Dadurch, dass die Tiere aus dem Museum Koenig Bonn zum Teil sogar in die Kirche gezogen sind, hat das auch für einen neuen Blickwinkel gesorgt. Hier konnten wir die göttliche Schöpfung und das sehr aktuelle und gesellschaftlich relevante Thema – also die stetige Verminderung der Artenvielfalt – unter einem Dach präsentieren und an Familien heranführen. Für mich war es sehr spannend, theologisches Gedankengut mit der wissenschaftlichen Perspektive des LIB zusammenzuführen.

In dem Programm sind die Worte „Schöpfung“ und „Evolution“ zu lesen. Schließen sich die Begriffe für Euch nicht aus?

Bernhard Misof:

Bei meiner Podiumsdiskussion mit Dr. Gregor Taxacher – Theologe an der TU Dortmund – haben wir festgestellt, dass wir mit der Evolution nicht die „Schöpfung des Lebens“ erklären können. Wir wissen mehr und mehr, wie alle Systeme zusammenhängen und wie sie voneinander abhängig sind. Aber woher kommt das Leben? Wissenschaftlich ist diese Frage bislang nicht zu beantworten – höchstens philosophisch oder eben theologisch. Da muss jede und jeder eine Entscheidung für sich finden. Uns ist es in dem Gespräch auf dem Podium gelungen, über theologische Ansätze zu sprechen, ohne dabei unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse in Frage zu stellen. Das war mir sehr wichtig.

Toni Bohnenberger:

Ich bin kein Theologe, aber ich bin Christ und zugleich Wissenschaftler. Mir sind natürlich auch Personen bekannt, für die sich beide Begriffe strikt ausschließen. Ich fand eine These sehr interessant, die beschreibt, dass beide Begriffe sich nicht ausschließen, sondern völlig verschiedene Dinge beschreiben. Während wir versuchen, die Evolution mit Fakten und Wissenschaft zu ergründen, wie alles auf einer molekularen Ebene entstanden ist, gibt uns die christliche Schöpfung eine besondere Verantwortung. Der Glaube daran, dass alles von einer Macht geschaffen wurde und miteinander so zusammengehört, uns allen die Verantwortung gibt, diese Schöpfung zu bewahren. Für mich persönlich spielt es als Christ in meinem Alltag gar keine Rolle, an welchem Tag was erschaffen wurde, sondern alles ergibt einen Sinn und ich darf diese Ordnung nicht eigenwillig zerstören. Diese ökologischen Systeme sind so komplex, dass wir als Menschen mit unseren Eingriffen nur Schaden anrichten können.

 „Naturerfahrung und planetarische Verantwortung“ war das Thema einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Veranstaltung. Welche Antworten wurden hier auf die Frage „Reicht ein Bewusstsein für die Naturverträglichkeit aus oder braucht es Gesetze, die das Handeln regeln?“ gefunden?

Bernhard Misof:

Dieses Thema schließt nahtlos an die Berliner und Frankfurter Erklärung an. Wir werden nur über Appelle an die Rationalität und die Emotionalität der Menschen nichts erreichen. Wir benötigen darüber hinaus legislative Regelungen, die uns dabei helfen, Maßnahmen umzusetzen: Zum Beispiel der Verzicht auf Plastik oder ein Gesetz, das die Vermüllung der Meere unter Strafe stellt. Wir werden aber nicht den Leuten vorschreiben können, wie viel Fleisch sie essen sollen oder darauf zu achten, wie sehr das eigene Handeln die Ökosysteme schädigt. Bis es entsprechende Gesetze gibt, haben wir keine andere Wahl, als auf den Menschenverstand und das Bewusstsein jedes Einzelnen zu setzen. Daher ist es unsere Aufgabe, Verhandlungsräume zu schaffen, in denen wir alle unser eigenes Handeln kritisch hinterfragen und Lösungen an die Hand geben, die bei relativ kleinem Aufwand eine große Wirkung entfalten können. Zudem wirken wir auf die Politik ein und wollen mit unserer Forschung sinnvolle Gesetzgebungen zum Schutz der Arten sowie der Natur vorantreiben. Alle müssen sich die Frage stellen: „Was ist uns die Natur wert und wie soll unsere Umwelt in Zukunft aussehen?“. Mit öffentlichen Diskussionen versuchen wir, die breite Gesellschaft auf das Problem aufmerksam zu machen und auf die Frage einen Konsens zu finden.

Toni Bohnenberger:

Ich möchte den Rahmen erstmal ein bisschen größer spannen: Wir befassen uns hier mit einer Systemfrage. Es gibt Länder, in denen die Regierung mittels Autorität Entscheidungen für das gesamte Volk treffen kann. Wir leben – und darauf sind wir sehr stolz – in einem Land, in dem jede und jeder eigenständige Entscheidungen fällen kann – in einer Demokratie. Das geht nur im Dialog und ein Dialog erfordert Toleranz. Und Toleranz erfordert wiederum, dass ich die Sachlage kenne und verstehe sowie bereit bin, auch etwas Neues anzunehmen. Gesetze müssen auch von den Menschen angenommen werden und wir brauchen ein Verständnis darüber, wie notwendig diese sind. Auf Konsum zu verzichten, ist für uns Menschen erstmal eine Einschränkung und daher erfordert es ein allgemeines Bewusstsein dafür, wie notwendig diese Gesetze sind. Sonst wählen die Menschen am Ende einfach eine Partei, die diese Werte ablehnt und vermeintlich bessere Dinge umsetzen möchte. Wir wollen mit diesem Fest den Dialog über diese Themen anregen. Mit der Kirche oder dem Museum schaffen wir Ruheräume in der Stadt, in denen die Menschen in sich gehen können und Anregungen bekommen, das eigene Handeln zu hinterfragen.

Habt Ihr Gegenströmungen wahrgenommen und wie seid Ihr damit umgegangen?

Toni Bohnenberger:

Während des Festes hat sich niemand richtig getraut, öffentlich dazu einen Gegenposition einzunehmen. Dennoch kommt es schon vor, dass wir auch in der Kirche mit Menschen konfrontiert sind, die zum Beispiel einen Appell für den Fleischkonsum halten. Leider fehlt mir hier oft auf der Gegenseite wirklich das Interesse an einem Dialog. Meist suchen diese Menschen eher nach einer Bühne für ihre eigenen Thesen, ohne sich dabei wirklich austauschen zu wollen. Dennoch werden wir weiterhin immer wieder das Gespräch anbieten und weiter Aufklärungsarbeit leisten.

Bernhard Misof:

Bei der Veranstaltung „Das GRÜNE Sofa“ gab es sehr viel Zustimmung und Neugier, das Thema noch besser zu verstehen. Auf dem Sofa sprach der 13-jährige Eric Belz mit Herrn Stahl, dem Präsidenten der Alexander Koenig Gesellschaft, der die Generation 60+ repräsentierte. Zwischen den beiden gab es einen sehr interessanten Austausch, denn der Junge wollte natürlich wissen, warum damals niemand wirklich über Biodiversität nachgedacht hat. In diesem Gespräch konnten wir sehr gut erkennen, wie stark sich die Gesellschaft schon im Wandel befindet.

Welche Erkenntnisse wurden aus dem Gespräch gewonnen?

Bernhard Misof:

Zunächst berichtete Herr Stahl, dass seit den 50er Jahren im Mittelpunkt der damaligen Parteiprogramme immer eine Aufbruchsstimmung war: Weiter, schneller, besser. Dabei verlor man den Blick dafür, was das stetige Streben nach Maximierung der Natur antut. Da stellt dann die jüngere Generation die berechtigte Frage: „Wie konntet Ihr nur?“ – aber ich denke, dass wir die Vergangenheit einfach so akzeptieren und uns stattdessen mit der Gegenwart oder der Zukunft beschäftigen müssen – die wir noch aktiv mitgestalten können. Allen war bei diesem Gespräch klar, dass jetzt dringend etwas passieren und dass ein Umdenken stattfinden muss. Die junge Generation benötigt nun von uns allen Unterstützung dabei, das Ruder sprichwörtlich nochmal rumzureißen. Denn auch Eric, also der junge Teilnehmer der Diskussion, musste einräumen, dass über das Thema Artenvielfalt und Naturschutz viel zu wenig in der Schule unter den Jugendlichen gesprochen wird. Er hat deshalb gefordert, dass es viel stärker auch seitens der Schule und des Lehrpersonals in die Köpfe der Mitschülerinnen und Mitschüler gebracht wird.

Toni Bohnenberger:

Mich hat die Diskussion im Anschluss nachdenklich gemacht. Denn hier gab es aus dem Publikum den Aufruf an Eric, sich noch stärker aufzulehnen und eine noch viel klarere Position zu beziehen. Dabei finde ich es auch wichtig zu sagen, dass wir jetzt nicht die ganze Verantwortung für unsere Situation und die Lösung der Probleme der jungen Generation in die Schuhe schieben. Die sind aufgrund ihres jungen Alters oft noch gar nicht bereit für diese ganze Verantwortung und man muss aufpassen, sie nicht zu überfordern. Die Verantwortung liegt am Ende bei uns allen, solange wir auf dieser Erde leben – auch wenn Jüngere nun mit einem anderen Bewusstsein aufwachsen können.

„Das GRÜNE Sofa“: Treffen der Generationen mit Helmut Stahl (links im Bild, 76 Jahre, Präsident der Alexander-Koenig-Gesellschaft und Eric Belz (rechts im Bild, 13 Jahre, Schüler). © LIB, K. Meusemann

 

„Natur zu Gast bei Freunden?“ war als Motto des Festes als Frage formuliert. Warum war das so?

Toni Bohnenberger: 

Es ist ein allgemeines Infragestellen unserer Position: Ist denn die Natur zu Gast bei Freunden? Nach dem jetzigen Stand – so würde ich sagen – lautet die Antwort „nein“. Ich bin naturverbunden und naturnah, aber ich habe ein Auto, ein Haus und heize leider mit Öl. Ich denke, dass die Natur wahrscheinlich eher nicht mit mir befreundet sein wollen würde. Dennoch ist es total schwierig, auch für mich, auf diese Dinge zu verzichten. Die meisten Menschen würden zwar sagen, dass sie die Natur mögen und zum Beispiel gerne Spazierengehen, wenn wir uns aber unseren ökologischen Fußabdruck ansehen, stellt sich meist heraus, dass wir doch keine engen Freunde der Natur sind. Aus diesem Grund sollten wir uns alle selbst fragen: Sind wir ein Freund der Natur oder wollen wir das werden? Und: Was können wir dafür tun unsere gute Freundin besser zu behandeln?

Hat die katholische Kirche eine Sonderstellung für das LIB, oder könnte es auch künftig Kooperationen mit weiteren Religionsgemeinschaften geben?

Bernhard Misof:

Wir möchten hiermit nicht zeigen, dass wir der katholischen Kirche näher stehen als anderen Glaubensgemeinschaften. In Bonn ist es einfach ein Weg, um mehr und andere Menschen zu erreichen und für unsere Themen zu begeistern. Mir geht es darum, dass Respekt für die Biodiversität existiert. Dann ist es im Grunde egal, ob es sich um eine christliche, jüdische oder muslimische Glaubensgemeinschaft handelt.

Was hat das Erzbistum Köln für eine Strategie, um sich auch über das Elisabeth-Fest hinaus für den Erhalt der Biodiversität zu engagieren?

Toni Bohnenberger:

Wir haben eine Gruppe gebildet, die sich damit befasst, unsere Räumlichkeiten nachhaltiger zu gestalten. Auch die Kirchengärten sollen neu bepflanzt werden, damit diese attraktiver für Tiere werden. Ökumenisch wurde beispielsweise ein Blühstreifen in Bonn-Beuel geschaffen, um die Artenvielfalt in der Stadt zu unterstützen. Leider wird die Glaubensgemeinschaft immer kleiner. Also sind wir darum bemüht, uns auch mit aktuellen Themen zu beschäftigen, die für unsere Gesellschaft eine hohe Relevanz besitzen. Wir möchten unsere Gemeinschaft dazu motivieren, gemeinsam an etwas zu arbeiten und dabei an einem Strang zu ziehen. Wir haben es als Kirche immer geschafft, Menschen zum Engagement zu bewegen und haben hier zum Teil Jahrhunderte alte Strategien, um für Themen zu begeistern.

Auch die Dohle Coloeus monedula war aus dem Museum Koenig Bonn zu Gast in der Kirche St. Elisabeth, Pfarrgemeinde Bonn-Süd. © LIB, K. Meusemann

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