Erbgut von Sternalgen gibt Aufschluss über Ursprung der Pflanzen
Flüssigproben verschiedener Zellkulturen von Zygnema circumcarinatum, die in der Sammlung von Algenkulturen der Universität Göttingen gelagert sind. © Tatyana Darienko
Wie schaffen es Landpflanzen, sich stetig an ihre wechselnden Umweltbedingungen anzupassen? Unter anderem mit dieser Frage beschäftigte sich ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung von Dr. Iker Irisarri vom LIB. Sie erstellten im Rahmen ihrer Studie erste Genome von vier Sternalgen-Arten – den nächsten Verwandten der Landpflanzen. Die Ergebnisse wurden am 1. Mai in der Fachzeitschrift Nature Genetics veröffentlicht.
Landpflanzen bedecken die Oberfläche unseres Planeten, sie sind unter, um und über uns. Sie bilden komplexe Körper mit einer Vielzahl von Organen, die sich wiederum aus einer Vielzahl von Zelltypen zusammensetzen. Die Grundlage dieser morphologischen Komplexität sind unter anderem komplizierte Netzwerke von Genen, deren koordinierte Wirkung die Pflanzenkörper durch verschiedene molekulare Mechanismen formt – seien es winzige Moosblättchen, emporragende Baumstämme, verborgene Wurzeln oder beindruckende Seerosenblüten. All diese prächtigen Formen sind aus einem einmaligen evolutionären Ereignis hervorgegangen: der Eroberung des Landes durch die Pflanzen. Unter den Algen, die am engsten mit den Landpflanzen verwandt sind, finden sich verschiedene Wuchsformen, von einzellig bis hin zu komplexeren Zellfäden. Aus dieser Gruppe von Verwandten hat ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Universitäten Göttingen und Nebraska-Lincoln nun die ersten Genomdaten solcher komplexen Exemplare gewonnen, und zwar von vier fadenförmigen Sternalgen der Gattung Zygnema. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Nature Genetics veröffentlicht.
Die Forschenden arbeiteten mit insgesamt vier Algenstämmen, zwei aus einer Kultursammlung in den USA und zwei, die in der Sammlung von Algenkulturen der Universität Göttingen aufbewahrt werden. An der Forschung waren mehr als 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus neun Ländern beteiligt, die eine Reihe modernster Sequenzierungstechniken kombinierten, um die gesamte DNA-Sequenz der Algen zu entschlüsseln. Die Methoden ermöglichten es ihnen, vollständige Genome dieser Organismen auf der Ebene ganzer Chromosomen zu erstellen – was bei dieser Gruppe von Algen noch nie zuvor gemacht wurde. Der Vergleich dieser hoch aufgelösten Genome mit denen anderer Pflanzen und Algen führte zur Entdeckung wichtiger Signalgene für die Antwort auf sich verändernde Umweltbedingungen.
„Viele dieser Gene sind die Grundlage für molekulare Funktionen, die für die Entstehung der ersten mehrzelligen Landpflanzen wichtig waren“, erklärt Dr. Iker Irisarri vom LIB. „Es ist faszinierend, dass die genetischen Bausteine, deren Ursprünge Millionen von Jahren vor den Landpflanzen liegen, sich in den Vorfahren der Pflanzen und Algen dupliziert und diversifiziert haben und so die Evolution einer spezialisierten molekularen Maschinerie ermöglichten.“
„Diese Genomdaten bilden eine wertvolle, qualitativ hochwertige Forschungsgrundlage für die gesamte Pflanzenwissenschaft. Und auch die zugrundeliegenden Organismen stehen als lebende Referenzen in der Sammlung von Algenkulturen für vergleichende Experimente dauerhaft zur Verfügung“, ergänzt Prof. Dr. Jan de Vries von der Universität Göttingen. „Unsere eigenen Analysen konnten bereits komplizierte Verbindungen zwischen Umweltreaktionen und genetischen Programmen aufdecken. Dies wirft ein Licht auf eine der wichtigsten Eigenschaften von Landpflanzen: die Fähigkeit, ihr Wachstum und ihre Entwicklung jeweils an die Umgebung, in der sie leben, anzupassen – ein Prozess, der als Entwicklungsplastizität bekannt ist.“
Originalveröffentlichung
Xuehuan Feng et al. Genomes of multicellular algal sisters to land plants illuminate signaling network evolution. Nature Genetics 2024. Doi: 10.1038/s41588-024-01737-3.
Kontakt
Dr. Iker Irisarri
Leitung Phylogenetik/Phylogenomik
Zentrum für Molekulare Biodiversitätsforschung (zmb)
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