Zeigt her eure Füße … und sehet der wunderbaren Evolution zu

Der marmorierter Bogenfingergecko Cyrtodactylus marmoratus ist auf Java und Sumatra beheimatet und gehört der Gruppe der Generalisten an. © Adobe Stock

 

Tiere erscheinen immer perfekt angepasst an ihren jeweiligen Lebensraum. Geckos sind bekannt für ihre besonders ausgestatteten Füße, mit denen sie sich auch an den glattesten Oberflächen festhalten können. Zahlreiche Erfindungen der Bionik beruhen auf diesem Prinzip. LIB-Forschende haben sich einen weiteren Aspekt dieser artenreichen und weit verbreiteten Echsengruppe angesehen. 

Adaptive Radiationen – das ist, wenn sich oftmals nah verwandte Arten vielfältig an verschiedene Umgebungen anpassen – sind faszinierend für Evolutionsbiologinnen und -biologen. Bei Geckos, die in unterschiedlichsten Lebensräumen vorkommen, verändern sich oft die Körper- und Beinproportionen. Forschende vermuten, dass Geckos, die in eher offenen Landschaften leben, längere Hinterbeine haben, um schneller laufen zu können. Dagegen könnten Geckos, die auf Bäumen oder Felsen klettern, eher kürzere Beine haben, um ihren Schwerpunkt näher am Substrat zu halten, um Kraft zu sparen und wendiger zu sein. Zoologische Sammlungen wie die des LIB erlauben es, solche Fragen zu untersuchen und Evolution dadurch im Allgemeinen besser zu verstehen und Vorhersagen treffen zu können, wie und wie schnell sich Organismen an verändernde Umweltbedingungen anpassen. Leider spielt hierbei auch der Klimawandel und andere menschengemachte Habitatzerstörungen nach Meinung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Rolle, da Tiere und Pflanzen in neue Lebensräume umziehen müssen, für die sie evolutiv nicht angepasst sind.

LIB-Forschende haben sich eine bestimmte Gruppe – die Bogenfingergeckos der Gattung Cyrtodactylus – genauer angeschaut. Diese Geckos leben hauptsächlich in Asien in verschiedenen Umgebungen und haben unterschiedliche Vorlieben für bestimmte Strukturen. Es gibt zum Beispiel welche, die gerne auf Granit leben, und andere, die lieber in stark zerklüfteten Karstgebieten oder auf Bäumen leben.

Das internationale Forschungsteam um LIB-PostDoc Dr. Jendrian Riedel und den LIB-Herpetologen Priv.-Doz. Dr. Dennis Rödder hat die Körperlänge und die Größe der Beine von 87 Arten gemessen und untersucht, um herauszufinden, ob es einen Zusammenhang zwischen ihrer Fortbewegung und ihrer Lebensumgebung gibt. Das Ergebnis war, dass sich die Gruppen von Geckos, die in verschiedenen Umgebungen leben, in ihrer Körperform unterscheiden. Dabei gibt es zwar Überschneidungen, vor allem bei ähnlichen Mikrohabitaten wie Granit- und Karstgebieten, aber insgesamt unterstützen die Befunde die Annahmen der Forschungsgruppe über Anpassungen an die Umweltbedingungen. Nur die Gruppe der Busch- und Baumkronen-bewohnenden Bogenfingergeckos zeigte keine einzigartige Merkmalsauprägung.

„Die Folgen unserer Ergebnisse sind extrem spannend“, so der Erstautor Jendrian Riedel, „denn es könnte bedeuten, dass einige der Arten ohne eine komplette räumliche Trennung der Ursprungspopulation entstanden sind.“ Dieses als sympatrische Artbildung bekannte Phänomen ist bislang nur bei wenigen Arten wie zum Beispiel bestimmten Buntbarscharten aus Kraterseen wirklich belegt und stellt nach der gängigen Lehrmeinung eher eine Ausnahme dar. Geckos bleiben also weiterhin extrem faszinierend – besonders aber ihre Füße.

Zur Studie: https://link.springer.com/article/10.1007/s11692-023-09622-3#citeas

Die Abbildung 1 aus Riedel et al. 2024 zeigt die Vielfalt der in zehn Ökotypen eingeteilten Geckos der Gattung Cyrtodactylus sowie ihre Verbreitung. © LIB
Auf den berechneten Stammbaum der untersuchten Geckos werden die untersuchten Merkmale projiziert und der Verlauf der Entstehung und Evolution der Merkmale rekonstruiert. © LIB

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