Grundstein für multinationales Forschungszentrum im Kaukasus ist gelegt

Umschlossen von den Bergen des Kleinen und Großen Kaukasus konnte sich im Kolkheti National Park, Georgien, eine ganz eigene und extrem vielfältige Tier- und Pflanzenwelt entwickeln. © Jana Thormann

 

Die frei zugängliche Datenbank steht, die Labor-Infrastruktur funktioniert. Das Kooperationsprojekt Caucasus Barcode of Life (CaBOL) hat den Grundstein für ein multinationales Forschungszentrum im Kaukasus gelegt. Doch ist derzeit noch unklar, wie das Projekt nach dem Ende der Förderphase im Februar 2024 weitergeführt wird. Ein Gespräch mit CaBOL-Projektkoordinator Nils Hein vom LIB, der gerade von einer Forschungsreise nach Georgien mit 30 Studierenden aus Deutschland und Georgien zurückgekehrt ist.

Wo führte euch die Exkursion konkret hin? Was war das Ziel? 

Mit insgesamt 30 Studierenden aus Deutschland und Georgien haben wir den einzigen Biodiversitäts-Hotspot der gemäßigten Breiten besucht. Umschlossen von den Bergen des Kleinen und Großen Kaukasus konnte sich hier eine ganz eigene und extrem vielfältige Tier- und Pflanzenwelt entwickeln. Vor Ort haben wir diese naturräumlichen Gegebenheiten und ihre Klimageschichte näher unter die Lupe genommen. Im Fokus stand diesmal der Westen Georgiens mit seinen Urwäldern und den Stätten des UNESCO Weltnaturerbes im Kintrishi und Kolkheti National Park. Die Exkursion wurde im Rahmen eines Lehrauftrags des Geographischen Instituts der Universität Bonn, in Kombination mit der ERASMUS Dozentenmobilität zwischen dem LIB und der Ilia State University (Tbilisi, Georgien) ermöglicht.

Gab es Überraschungen und besondere Momente?

Für mich war es das erste Mal, dass unsere Arbeit von einem externen Filmemacher begleitet wurde. Ich war sehr berührt, als ich das Ergebnis gesehen habe. Denn der Film veranschaulicht sehr eindrücklich, wie besonders es ist, gemeinsam mit anderen in dieser wunderschönen Natur zu forschen, zu lehren und zu lernen. Und genau dafür steht das CaBOL-Projekt: für eine internationale Forschergemeinschaft, die das gemeinsame Ziel hat, die Biodiversität im Kaukasus zu inventarisieren und so zum Schutz dieses besonderen Naturraums beizutragen.

Wo steht ihr mit dem Projekt derzeit? Was habt ihr schon erreicht?

Seit dem Start des Projekts im Mai 2020 haben wir sämtliche Ziele erreicht und teilweise sogar übertroffen: Wir haben eine frei zugängliche Datenbank (https://ggbc.eu/) erstellt, die aktuell mehr als 22.000 Einträge enthält und bis zum Ende des Projekts voraussichtlich mehr als 30.000 Einträge umfassen wird. Diese Daten werden die wichtigste Basis für alle folgenden Biodiversitätsprojekte in der Region bilden. Der Wert dieses „Schatzes“ wird vermutlich erst in einigen Jahren wirklich zu ermessen sein.

Wie geht es weiter?

Leider wird das CaBOL-Projekt in seiner jetzigen Form im Februar 2024 enden. Derzeit ist noch nicht klar, wie das Projekt weiter fortgeführt werden kann, da die erste Förderphase durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung – BMBF im Frühjahr 2024 enden wird. Wir würden uns natürlich sehr wünschen, das Projekt fortführen zu können, um erstens, sämtliche vorkommenden Organismen in der Region für die Datenbank zu erfassen, zweitens, die Schutzanstrengungen mit Hilfe von Monitorings zu überprüfen, und drittens, im besten Fall naturbasierte Lösungsstrategien für die kommenden menschgemachten Probleme, wie durch den Klimawandel oder den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft hervorgerufenen Ernteausfälle, aufzuzeigen.

Wie entwickelt sich die Zusammenarbeit mit den Forschenden aus Georgien?

Die Zusammenarbeit mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus Georgien und Armenien war von Anfang an sehr gut und zielorientiert. Die erfolgreiche Durchführung des CaBOL-Projekts liegt darin begründet, dass das CaBOL-Konsortium aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern besteht, die ein gemeinsames Ziel haben, nämlich die Biodiversität des Kaukasus zu schützen. Zu Beginn des Projekts war die Zusammenarbeit stark durch die Auswirkungen der Pandemie geprägt. Aber nachdem dann endlich wieder Forschungsreisen und Workshops vor Ort im Kaukasus möglich waren, ging alles zügig voran.

Wie läuft der Aufbau der wissenschaftlichen Infrastruktur und eines multinationalen Biodiversitätszentrums im Kaukasus?

Die Leidenschaft aller beteiligten Kolleginnen und Kollegen am LIB und an den Partnerinstitutionen in Deutschland und im Kaukasus war (und ist) beeindruckend. So konnten wir die Labor-Infrastruktur und die Arbeitsabläufe schneller als gedacht etablieren. Ursprünglich mit sieben Partnerinstitutionen gestartet, umfasst das CaBOL-Netzwerk mittlerweile eine Vielzahl von Institutionen aus der gesamten Region, zum Beispiel der Ukraine, Polen und Rumänien. Wir wollen dieses Netzwerk weiter festigen und durch ständigen Austausch und gemeinsame Projekte vertiefen. Unser großes Ziel ist der Aufbau eines multinationalen Forschungszentrums vor Ort im Kaukasus. Basierend auf unseren gesammelten Daten soll dieses Zentrum eine global führende Rolle in der Biodiversitätsforschung einnehmen. CaBOL wird dafür ein, wenn nicht der wichtigste, Grundstein gewesen sein.

Was passiert auf politischer Ebene, um das Projekt nach vorn zu bringen?

Projekte wie CaBOL erfordern eine enge internationale Zusammenarbeit. Diplomatische Bemühungen, Verträge und Partnerschaften zwischen Ländern erleichtern den Austausch von wissenschaftlichen Daten, Materialien und Fachwissen. Hier spielen auch politische Entscheidungsträger eine wichtige Rolle, die Öffentlichkeit für das Projekt zu sensibilisieren. Erfolgreiche wissenschaftliche Projekte, die nationale Grenzen überschreiten, können so für die Förderung von Frieden, Stabilität und Zusammenarbeit einer ganzen Region entscheidend sein. Der Erfolg des CaBOL-Projekts und ähnlicher Initiativen hängt von der Unterstützung und dem Engagement von politischen Entscheidungsträgern und Regierungsbehörden ab, die sich für die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die wissenschaftliche Forschung einsetzen. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass diese Bemühungen mit umfassenderen Umwelt- und Naturschutzzielen auf regionaler und globaler Ebene in Einklang gebracht werden. Aus diesen stehen wir in ständigem Kontakt mit den zuständigen Entscheidungsträgern, um über aktuelle Ergebnisse und Entwicklungen zu informieren und den Aufbau eines Forschungszentrums für biologische Vielfalt voranzutreiben, das eine hohe gesellschaftliche Relevanz besitzen wird.  So lädt das CABOL-Team am 20. und 21. November zu dem Symposion “Exploring the Biodiversity of the Caucasus – Insights from ongoing international collaborations” an der Universität von Tiflis ein.

 

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