Die unbefleckte Empfängnis bei Buntbarschen
Hier schwimmt ein Exemplar der Buntbarschgattung Benitochromis durch das Aquarium. © Timo Thünken
Kinderkriegen ist nicht zwingend eine Teamleistung. Ein Team um LIB-Forscherin Astrid Böhne konnte feststellen, dass Buntbarsche in der Lage sind sich selbst zu befruchten und so Nachkommen im Alleingang zu zeugen. Aber wie kommen Forschende überhaupt auf die Idee, die Fortpflanzungsmethode von Buntbarschen genauer zu untersuchen?
„Wir sind darauf gekommen, weil mein Kollege Dr. Timo Thünken von der Uni Bonn Buntbarsche der Gattung Benitochromis aus Kamerun mitgebracht hat, die in Gefangenschaft sehr aggressiv werden und aus diesem Grund nur solitär in einem Aquarium gehalten werden können. Plötzlich hat sich einer dieser alleinlebenden Fische fortgepflanzt. Zunächst dachten wir, es könnte durch eine Außeneinwirkung passiert sein, deshalb achteten wir dann genau darauf, dass es beispielsweise bei Wasserwechsel keine Verunreinigungen gab – und trotzdem passierte es erneut“, schildert Dr. Astrid Böhne, Sektionsleiterin für Vergleichende Genomik am LIB, die von ihrem Kollegen konsultiert wurde, da sie sich schon ausgiebig mit den wissenschaftlichen Grundlagen der Geschlechtsentwicklung von Fischen beschäftigt hat.
Als die Forschenden sich das ganze Genom dieses Fisches und seiner Nachkommen angesehen haben, ist ihnen aufgefallen, dass die Nachkommen einen Verlust an genetischer Diversität aufweisen. Diese haben häufig nur ein Allel – also unterschiedliche Varianten eines Gens an einer bestimmten Stelle auf einem Chromosom – wobei gewöhnliche Exemplare zwei Allele haben. Dafür gibt es laut der Forschenden für gewöhnlich zwei Möglichkeiten: Entweder aufgrund von Inzucht oder Parthenogenese – also eingeschlechtliche Fortpflanzung. Um es genauer herauszufinden, haben die Forschenden mithilfe eines Computerprogramms die Gene eines Geschwisterteils simuliert und im nächsten Schritt nachgeahmt, wie die Genetik der Nachkommen beider Fische aussehen würden. Hierdurch konnten sie dann herausfinden, dass nur der Elternfisch ganz nah mit dem untersuchten Buntbarsch verwandt ist und konnten die Theorie der Inzucht somit ausschließen. Auch fremde DNA konnten die Forschenden nicht nachweisen. Die einzige mögliche Theorie: Der Fisch konnte sich ohne Partnerin oder Partner fortpflanzen. Eine Technik, die wir bereits von anderen Wirbeltierarten wie Schlangen oder Geckos kennen, jedoch bislang nicht bei Buntbarschen.
Das Problem bei der Fortpflanzung ohne Partnerin oder Partner: Bei der Entwicklung von Nachkommen teilen sich die Zellen und zugleich wird der Chromosomenbestand der Zellen halbiert – auch Meiose genannt. Bei der geschlechtlichen Fortpflanzung werden diese Zellen mit der Erbinformation der Eltern wieder aufgefüllt – bei der Parthenogenese geht dieser Teil verloren. Die untersuchten Fische wiesen jedoch nicht an den gleichen Stellen in ihrem genetischen Code einen Verlust der Chromosomen auf. In der Konsequenz schließen die Forschenden daraus, dass sich die Fische also stattdessen selbst befruchten, um so Nachkommen zu zeugen. Bei klassischen Beispielen der Parthenogenese, die auch in Wirbeltieren beobachtet wird, teilt sich lediglich die Eizelle, ohne überhaupt befruchtet zu werden.
Diese Selbstbefruchtung konnte bislang von Expertinnen und Experten nur in einem anderen Wirbeltier nachgewiesen werden, und das ist der Marmorierte Bachling Rivulus marmoratus. Diese Fische leben in einem sehr stark strukturierten Lebensraum umgeben von Mangroven und können sich sowohl selbst als auch mit einem Artgenossen fortpflanzen. Auch die untersuchten Buntbarsche leben in einem stark strukturierten Lebensraum, somit könnte diese Selbstbefruchtung auch in der Wildnis passieren – nicht nur in Aquarien. „Bislang war nicht bekannt, dass Buntbarsche überhaupt ihr Geschlecht wechseln können. Vor uns hat noch niemand eine ganze Genomauflösung der Fische angefertigt und konnte die Fortpflanzung auf diese Art und Weise nachvollziehen. Aus diesem Grund prüfen nun viele Kolleginnen und Kollegen ihre Forschungsobjekte sowie die Fortpflanzungsmechanik neu. Es gibt scheinbar Nichts, was es nicht gibt und Fortpflanzung ist nicht so trivial, wie wir nun sehr lange gedacht haben“, fasst Astrid Böhne zusammen.