Gesicht des LIB: France Gimnich

„Ich sehe einen unschätzbaren Gewinn für alle darin, naturpositiv zu leben, nicht nur für die zukünftigen Generationen.“

© LIB, F. Gimnich

 

Kunst und Wissenschaft, Leben und Forschen, Politik und Eigenverantwortung gehören für France Gimnich zusammen. Mit dem Street-Art-Projekt „Art meets Biodiversity“ ihres Vereins InUrFaCE möchte sie auch Menschen für Naturthemen sensibilisieren, die nicht ins Museum gehen. Als Sammlungsmanagerin der Biobank im Museum Koenig Bonn macht sie molekulare Proben für heutige und zukünftige Generationen von Forschenden zugänglich.

Was hat Sie zur Biologie geführt?

Eigentlich wollte ich wissen, warum wir existieren und Philosophie studieren. Aber als mir klar wurde, dass anstatt Antworten nur mehr Fragen auf mich zukommen würden, habe ich mich für das Studium der Biologie entschieden – in der Hoffnung, mit dem Wissen darüber, wie das Leben funktioniert, der Frage des Warums etwas näher zu kommen.

Was bedeutet Natur für Sie persönlich?

Natur bedeutet für mich Wahrheit und ist somit das Authentischste, dem ich begegnen kann. Sie hat dadurch eine sehr beruhigende Wirkung auf mich. Schon als Kind habe ich mich in Gesellschaft mit Tieren wohler gefühlt als mit Menschen. Bei ihnen war klar, woran ich bin.

Was treibt Sie bei Ihrer Arbeit an?

Der größte Antrieb bei meiner Arbeit in der Biobank ist ihre Sinnhaftigkeit. Bei meinen Sammelreisen hatte ich immer höchsten Respekt davor, Tiere der Natur zu entnehmen. Auch wenn das Sammeln notwendig ist, weil man nur das schützen kann, was man kennt, habe ich mich gefragt, ob der Nutzen meiner Forschung den Eingriff rechtfertigt. Da diese Proben jetzt in der Biobank liegen, habe ich diesbezüglich keine Bedenken mehr. Indem wir Proben dort einlagern, weltweit sichtbar machen und für die zukünftige Forschung zur Verfügung stellen, nutzen wir diese wertvollen Ressourcen nachhaltig.

Was ist für Sie die größte Herausforderung auf dem Gebiet des Umweltschutzes?

Dass die Menschen ihren persönlichen Bezug zur Natur und die Bedeutung ihres Verlustes nicht spüren. Viel zu wenige sind sich der eigenen Verantwortung, aber auch des Mehrwerts der notwendigen Veränderung bewusst. Ich sehe einen unschätzbaren Gewinn für alle darin, naturpositiv zu leben, nicht nur für die zukünftigen Generationen. Ein weiteres Problem ist der Irrglaube, die Politik müsse den ersten Schritt machen. Ohne die klare Befürwortung aus der Bevölkerung kann die Politik langfristig nichts bewirken. Mir fehlt die Empörung über die aktuelle Lage und der Mut zur Veränderung.

Wie engagieren Sie sich hier persönlich?

Um zu helfen, einen persönlichen Bezug zur Natur herzustellen, habe ich mit einer ehemaligen Kollegin und meinem Lebenspartner den Verein InUrFaCE gegründet. Wir bringen Street Art-Künstlerinnen und Künstler und Biodiversitätswissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammen um gemeinsam Motive für großflächig bemalte Fassaden, die der Öffentlichkeit „ins Gesicht springen”, zu entwickeln. Wir wollen so raus aus der Bubble, auf die Straße und im öffentlichen Raum auch Menschen ansprechen, die nicht ins Museum gehen. Die Idee ist, über Kunst positive Emotionen zur Natur zu erzeugen und die Wertschätzung von biologischer Vielfalt in der Gesellschaft zu erhöhen. Es entstand bereits ein Mural in der Bonner Innenstadt und gerade arbeiten wir an der Gestaltung des Bahnhofs UN Campus. Als nächstes suchen wir eine Wand in Hamburg.

Welche Aufgabe hat die Wissenschaft im LIB für Sie?

Wir haben eine gesellschaftliche Verantwortung und stehen angesichts der aktuellen Lage unter hohem Erwartungsdruck. Ich wünsche mir, dass wir Grundlagenforschung und angewandte Forschung eng verzahnen, um pragmatische Lösungen für den Biodiversitätserhalt zu schaffen. Diese sollten in enger Zusammenarbeit und auf Augenhöhe mit Gesellschaft, Wirtschaft und Politik umgesetzt werden.

Was sollen die Menschen in zehn Jahren mit dem LIB assoziieren?

Das LIB sollte als zentraler Akteur bei der Gestaltung einer lebenswerten Zukunft für alle anerkannt sein. Ein zuverlässiger, vertrauenswürdiger Ansprechpartner für Wirtschaft und Politik. Und durch unsere Museen auch Begegnungsort von Mensch mit Natur und Bürger*innen und Wissenschaftler*innen.

Was bedeutet das Museum Koenig Bonn für Sie?

Dadurch, dass ich schon 2008 als Studentin hier anfing, ist das Museum ein wichtiger Teil meines Lebens geworden. Damals waren wir, wie Bernhard Misof es mal so schön treffend beschrieb, wie ein junges Start-Up-Unternehmen. Ein kreativer Ort an dem ein Pool von unterschiedlichsten Menschen mit Leidenschaft forscht, sich dazu vernetzt und mutig ist, gemeinsam Neues auszuprobieren. Obwohl ich „nur“ Studentin war, habe ich mich damals schon als Teil davon gefühlt. Auch wenn wir enorm gewachsen sind und alles komplexer geworden ist, steckt dieser Spirit noch in uns. Das macht das Museum für mich zu einem großartigen Arbeitsort.

 

France Gimnich studierte Biologie an der Universität Bonn und schrieb ihre Diplomarbeit zur genetischen Differenzierung zwischen Landschneckenpopulationen am Museum Koenig. Zur Promotion ging sie ans Museum für Naturkunde Berlin und forschte mithilfe molekularer Techniken zur Evolutionsgeschichte australischer Süßwasserschnecken. Nach mehreren Stellen als wissenschaftliche Koordinatorin in Berlin, Indonesien und Bonn, ist sie seit 2018 am Zentrum für Molekulare Biodiversitätsforschung die Sammlungsmanagerin der Biobank. In ihrer Freizeit verbindet sie Wissenschaft mit Kunst: https://www.art-meets-biodiversity.com

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