Gesicht des LIB: Peter Konstantinidis
„Wir schützen Fische, indem wir ihre Larven erkennen und so die Laichgründe schützen können.”
Peter Konstantinidis mit einem gestrandeten dreieinhalb Meter langen Fuchshai (Alopias pelagicus) an einem Strand am Nordpazifik. © LIB, P. Konstantinidis
Vor wenigen Monaten stand Peter Konstantinidis noch häufig am US-amerikanischen Pazifik und hat Wale beobachtet. Seit Mitte Januar ist er als neuer Kurator der Ichthyologie am Museum der Natur Hamburg für die größte Fischsammlung Deutschlands verantwortlich. Ihn faszinieren vor allem Fischlarven in ihrer Vielfalt und Schönheit. Im Interview erzählt der gebürtige Schwabe, warum er mehr Menschen für den Fischnachwuchs begeistern möchte und warum er selbst kein Aquarium mehr besitzt.
Was treibt Sie als Forscher an?
Die Neugierde, mehr über die biologische Vielfalt zu erfahren. Die Fische als die größte Wirbeltiergruppe sind für mich am spannendsten.
Was interessiert Sie besonders?
Vor allem die morphologische Vielfalt, also die Unterschiede von Skelettsystemen in verschiedenen Fischen. Und wie man diese Informationen verwenden kann, um Verwandtschaftsverhältnisse weiter zu erforschen.
Wie sind Sie zur Biologie gekommen?
Für mich war Angeln schon im Alter von fünf Jahren was Großes. Und dann war es einfach nur die logische Konsequenz, dass ich Biologie studiert und mich auf Fische spezialisiert habe. Mit der Zeit und je mehr ich gelernt habe, wurde es immer interessanter. Dabei bin ich nicht auf dem direkten Weg, sondern über den zweiten Bildungsweg gegangen. Ich wollte unbedingt etwas mit Biologie machen und in die Forschung gehen.
Was sind die Highlights in Ihrem jetzigen Berufsalltag?
Die Neubeschreibungen von marinen Fischlarven und die Arbeit mit Fischlarven im Allgemeinen. Bei Fischlarven ist die Diversität noch größer als bei den erwachsenen Tieren. Also wenn man sich 36.000 Fischarten vorstellt, die wir bislang kennen, dann ist das eine enorme morphologische Vielfalt und Schönheit! Die Larven sehen in hochaufgelösten Fotos so aus, als wären sie gar nicht von dieser Welt.
Wo gibt es die schönsten Larven?
Für mich vor allem in der Tiefsee. Bei Tiefseefischen und ihren Larven gibt es eine riesige, interessante Vielfalt.
Als Fischkurator haben Sie doch bestimmt ein eigenes Aquarium?
Nein, nicht mehr. Wir hatten im Museum in London, wo ich meine Doktorarbeit geschrieben habe, einen ganzen Aquarienraum. Da gab es so viele Aquarien, dass ich gar keine Lust mehr hatte, mein eigenes daheim zu haben. Ich musste mich dort über Jahre um 28 Aquarien kümmern und Kugelfische nachzüchten. Das war das Ende für die Zeit eines eigenen Aquariums.
Was bewirkt Ihre Forschung?
Wir schützen Fische, indem wir die Larven schützen, doch diese müssen wir erst einmal kennen. Ich gebe meine Expertise zu marinen Fischlarven weiter, damit die Laichgründe besser gesichert werden können.
Was bedeutet Natur für Sie persönlich? Gibt es einen Lieblingsort in der Natur?
Für mich ist die Natur der Grund, warum ich hier auf der Erde bin, warum es mich gibt. Mein Lieblingsort – das ist schwierig zu sagen, aber wahrscheinlich sind es die Wälder in Oregon. Dort habe ich die letzten sieben Jahre gelebt.
Wie erklären Sie Kindern Biodiversität?
Biodiversität entsteht, wenn sich Organismen und Tierarten an bestimmte Umweltverhältnisse anpassen.
Mit welchem persönlichen beruflichen Ziel sind Sie ans LIB gekommen?
Mein Ziel ist, zusammen mit einer Kollegin aus dem Naturhistorischen Museum in Paris ein Zentrum der Fischlarvenbestimmung und der Fischlarvenforschung hier am LIB aufzubauen. Wir sind international die einzigen zwei noch nicht pensionierten Forschende, die weltweit Fischlarven bestimmen können. Alle anderen sind älter als 70 und wir haben Schwierigkeiten Nachwuchs zu rekrutieren.
Das nennen wir wohl Schwund der Artenkenntnis. Was tun Sie dagegen?
Wir lehren und geben Kurse in der Kenntnis von Fischlarven – dieses Jahr in Frankreich, in der Bretagne. Ich würde gern jährlich einen Kurs anbieten, einmal in Hamburg, einmal in Frankreich, und meine Kollegin natürlich dazu einladen. Und ja, wir müssen Studierende für dieses Thema begeistern. Das Problem ist das die Larvenbestimmung sehr aufwendig ist. Man lernt das nicht in zwei Wochen. Ich mache das jetzt seit zehn Jahren und lerne immer noch.
Was sollte man in zehn Jahren mit dem LIB identifizieren?
Gut wäre, wenn wir vor allem mit unserem Neubau generell den naturwissenschaftlichen Museen, die ja oft so als eingestaubt gelten, einen neuen Kick geben würden, so dass Leute auch gern wieder in naturhistorische Museen gehen. Bevor ich in diesem Bereich gearbeitet habe, war mir auch gar nicht richtig bewusst, was ein Naturkundemuseum eigentlich ist. Man kennt oft nur die Ausstellungsräume. Viele Leute wissen gar nicht, dass im Hintergrund so viel Forschung passiert, dass die Ausstellung nur ein Teil vom Ganzen ist. Ich hoffe, dass das Hamburger Museum dem Ganzen neuen Schwung geben wird.
Was ist für Sie die größte Herausforderung auf dem Gebiet des Umweltschutzes?
Dass wir Menschen uns in unserem Konsumverhalten ändern. Das sehe ich leider nicht. Das funktioniert in kleinen Gruppen, in kleineren Städten vielleicht hier und da. Aber nicht im Großen und Ganzen. Hier müsste mehr auf politischer Ebene in Sachen Einschränkungen passieren.
Was wären Sie geworden, wenn es mit der Biologie nicht funktioniert hätte?
Schreiner. Das war auch immer auf dem Tisch. Ich hatte auch in Oregon eine kleine Werkstatt, wo ich Möbel gebaut habe. Das war immer eine Alternative.
Dr. Peter Konstantinidis hat seine Ausbildung zum Ichthyologen an der Universität Tübingen begonnen und sich schon früh auf die Vielfalt der Knorpel- und Knochenfische spezialisiert. Für seine Diplomarbeit untersuchte er den Bewegungsapparat des Makohais, um dessen effektive Schwimmweise zu verstehen. Seine Promotion zur morphologischen Vielfalt der Kugelfische und deren Verwandten führte ihn an das Naturhistorische Museum in London. Anschließend wechselte er als Postdoc für seine Forschung an der Evolution von basalen Knochenfischen an die Universität Jena, um dann in die USA zu gehen. Nach zweijähriger Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Virginia Institute of Marine Science wurde er Kurator der Wirbeltiersammlung an der Oregon State University. Am 15. Januar 2024 hat Peter Konstantinidis seine Tätigkeit als Sektionsleiter und Kurator der Ichthyologie am LIB Hamburg begonnen.