Rückkehr einer Ausgestorbenen? Feldspitzmaus in Hamburg nachgewiesen

Für Hamburg konnte die Feldspitzmaus bislang nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden. In Schleswig-Holstein und Niedersachsen gilt sie als gefährdet. Ihr Lebensraum, mit Hecken und Sträuchern durchwobene, extensiv genutzte landwirtschaftliche Flächen, schrumpft zunehmend.

Copyright: Saxifraga-Rudmer Zwerver

 

Die Feldspitzmaus Crocidura leucodon konnte erstmals in Hamburg nachgewiesen werden. Bisher galt sie hier als ausgestorben. Ein Hamburger Bürger hatte 2019 mit dem Fund einen wichtigen Beitrag geleistet, mit dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Vorkommen der Art in Hamburg neu bewerten konnten. Die Studie wurde jüngst in der Zeitschrift Evolutionary Systematics veröffentlicht: https://evolsyst.pensoft.net/article/67302/

 

Bislang wurde die Feldspitzmaus in Hamburg nicht mit Sicherheit nachgewiesen. Funde aus der Vergangenheit gelten als zweifelhaft. Möglicherweise war die als ausgestorben geführte Art auch nie in Hamburg heimisch. Erst jetzt konnten Forscherinnen und Forscher des Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB) in Hamburg nach aktuellen morphologischen und genetischen Untersuchungen des 2019 gemeldeten Fundes feststellen: Mit Crocidura leucodon lebt eine fünfte Spitzmausart in der Hansestadt. Dr. Martin Husemann, Wissenschaftler am (LIB) in Hamburg: „Unsere Studie zeigt außerdem einmal mehr, wie wichtig das Engagement interessierter Bürgerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler für unser Verständnis von der Verbreitung von Arten ist, in diesem Fall von der städtischen Tierwelt. Der Fund ist ein wichtiger Nachweis eines kleinen und seltenen Säugetiers in der Nähe einer Metropolregion.“

Der Rote-Liste-Status der Feldspitzmaus war in Deutschland im Jahr 2020 NT (Near Threatened, Rote Liste Deutschland „V“). In den an Hamburg angrenzenden Bundesländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen gilt sie als gefährdet. Ihr Lebensraum, mit Hecken und Sträuchern durchwobene, extensiv genutzte landwirtschaftliche Flächen, schrumpft zunehmend.

Die Feldspitzmaus wurde in Hamburg nicht als fehlend, sondern als lokal ausgestorben (Rote Liste 0) eingestuft, weil es diverse frühere Nachweise für die Stadt gab. „Für keinen dieser Nachweise gibt es jedoch eine ordentliche Dokumentation, so dass die Funde nicht bestätigt werden können und als zweifelhaft gelten müssen“, unterstreicht Dr. Thomas Kaiser, Sektionsleiter Mammalogie und Paläoanthropologie im LIB in Hamburg.

Aus jüngster Zeit gibt es zwei weitere Nachweise, die ebenfalls zweifelhaft erscheinen. In einem Falle könnte ein Exemplar von einem Greifvogel über die Landesgrenze transportiert worden sein. Ein anderer Fall müsste nach Empfehlung der Studie weiter beobachtet werden: Eine im Jahr 2018 gemeldete Gruppe von sieben Individuen der Feldspitzmaus auf der Billerhuder Insel sei insofern schwierig zu erklären, als der Lebensraum mit Häusern mit Gärten nicht dem der Feldspitzmaus entspräche. „Es ist schwer nachzuvollziehen, wie sich hier eine Population von C. leucodon etablieren konnte“, erklärt Husemann. „Hier müssen wir weiter beobachten.“

Mit dem Portal zum Nachweis heimischer und invasiver Arten versuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des LIB die Verbreitung von Arten in die Hansestadt zu dokumentieren und zu erforschen; hierüber können auch Bürgerinnen und Bürgern Funde melden. „Das Portal hilft, gebietsfremde Arten frühzeitig nachzuweisen und ihre Verbreitung zu dokumentieren. Eine neue Wanzenart konnte in diesem Jahr über das Portal zum ersten Mal nachgewiesen werden“, so Husemann. Durch den Hafen kommen in Hamburg besonders viele nicht-heimische Arten an. Die enge Zusammenarbeit mit der Umweltbehörde, BUKEA, ermöglicht eine schnelle Reaktion auf neue Funde.

 

Weitere Infos:

https://www.neobiota-hamburg.de

Originalstudie:

Return of the walking dead: First verified record of the shrew Crocidura leucodon (Hermann, 1780) in Hamburg, Germany. Robert Klesser, Frederik Jessen, Jörgen Ringenberg, Matthias Preuß, Thomas Kaiser, Martin Husemann:  https://evolsyst.pensoft.net/article/67302/

Kontakt:

Dr. Martin Husemann
Leitung Sektion Entomologie
Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels, Hamburg
Zoologisches Museum
Tel.: +49 40 42 838-2373
E-Mail: martin.husemann@uni-hamburg.de

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