Gesichter des LIB: Karsten Stehr

„Um Maßnahmen für den Naturschutz treffen zu können,
braucht es viel mehr
flächendeckende Kenntnis über die Artenvielfalt
und ihre Wechselwirkungen mit der Natur.“

Karsten Stehr koordiniert am Museum Koenig Bonn Bildungsprogramme für junge Menschen. © LIB

 


Karsten Stehr hat eine Mission: Er möchte junge Menschen für Artenkenntnis begeistern. So können sie mithelfen, die Natur zu schützen. In der Museumspädagogik des Museum Koenig Bonn bringt sich der Biologe mit seinem Wissen über die Zusammenhänge der Natur und auch mit seinem Hobby, der Wildtierfotografie, ein.

Was treibt Sie an, jungen Menschen Wissen über die Natur nahezubringen?

Die Natur ist etwas Einzigartiges. Sie hat für jeden einzelnen Menschen eine andere Bedeutung. Wir sind auch Bestandteil der Natur. Für mich ist es wichtig, Menschen schon in ihren jungen Jahren zu vermitteln, wie sie funktioniert. Ich möchte mit ihnen dazu ins Gespräch kommen, wie sie mit ihr umgehen sollten, um sie zu schützen und zu erhalten, damit unsere Zukunft lebenswert bleibt. Darüber hinaus erhoffe ich mir durch meinen Einsatz, dass das Wissen über die Natur auch zu einem tieferen Verständnis von uns selbst und unserer Beziehung zur Welt um uns herum führt.

Was hat Sie zur Biologie geführt?

Ich hatte das Glück, in einem Elternhaus mit einem vielfältigen Garten aufzuwachsen. Dadurch war ich schon in jungen Jahren immer viel draußen. Weil meine Eltern und Großeltern Obst und Gemüse angebaut haben, habe ich viel über heimische Tiere und Pflanzen gelernt. Als dann noch ein Teich dazu kam, gab es noch viel mehr im Garten zu entdecken. Ich denke, das hat mich zur Biologie geführt.

Was sind die Highlights Ihres Berufsalltags?

Meine Highlights sind auf jeden Fall die Kurse zur Förderung von Artenkenntnis mit Jugendlichen und Kindern. Besonders die Exkursionen, die wir mit ihnen durchführen, sind großartig. Es ist immer wieder erstaunlich, wie viel ich selbst noch von den Jugendlichen lernen kann. Viele der Teilnehmenden haben bereits für bestimmte Organismengruppen eine Begeisterung entwickelt, die ansteckend ist.

Was bedeutet Natur für Sie persönlich? Gibt es einen Lieblingsort in der Natur?

Natur ist für mich überall und ist ein Phänomen, aus dem ich vieles schöpfe. Ob direkt vor der Haustüre oder irgendwo in den Bergen – Biodiversität, die mich begeistert, gibt es überall. Als Hobby-Wildtier- und Macrofotograf fasziniert mich alles, was sich bewegt. Die ein oder andere Pflanze ist auch mal mit dabei. Meine Lieblingsorte in der Natur sind definitiv die Berge oder alpine Vegetationsstufen. Dort sind wenig bis keine Menschen unterwegs. Und wenn ich einen Gipfel erklommen habe und sehe, wie weitläufig die Welt von da oben ist, breitet sich in mir ein Gefühl der Entspannung aus.

Krebse, Fische, Schmetterlinge: Wer hat Ihre ganz persönliche Zuneigung und wieso?

Haie. Auch wenn ich inzwischen eine differenzierte Meinung zu Zoos habe, meine erste, mich nachhaltig prägende Erfahrung mit einer bestimmten Tierart, war ein Grauer Riffhai im Loro Parque auf Teneriffa. Diese Erfahrung als Kind führte dazu, dass ich später im Studium während meiner Bachelorarbeit Verhaltensversuche mit Haien und Rochen durchgeführt habe.

Wie erklären Sie Kindern den Begriff Biodiversität?

Biodiversität beschreibt die Vielfalt des Lebens auf der Erde. Das umfasst alle lebenden Organismen, von winzigen Mikroben bis hin zu großen Tieren und Pflanzen – sowie ihre genetische Vielfalt. Dank genetischer Vielfalt können sich Organismen an unterschiedliche Umweltbedingungen anpassen.

Die Biodiversität beschreibt auch die verschiedenen Ökosysteme, in denen diese Lebewesen leben, wie zum Beispiel Regenwälder, Ozeane oder Wüsten. Eine hohe Biodiversität ist wichtig, da sie viele Vorteile für uns und die Natur bietet. Zum Beispiel können verschiedene Pflanzen und Tiere uns Nahrung, Medizin und andere Ressourcen liefern. Außerdem sorgen sie für einen ausgeglichenen Kreislauf von Nährstoffen.

Was sollen die Menschen in zehn Jahren mit dem LIB assoziieren?

In zehn Jahren sollen die Menschen das LIB nicht nur als Museum und Forschungsinstitut wahrnehmen, sondern auch als Lernort und Ort für den Austausch miteinander.

Was ist für Sie die größte Herausforderung auf dem Gebiet des Naturschutzes?

Die größte Herausforderung auf dem Gebiet des Naturschutzes sehe ich in der Nachwuchsförderung von Expertinnen und Experten, die sich mit bestimmten Organismengruppen beschäftigen. Um Maßnahmen für den Naturschutz treffen zu können, braucht es viel mehr flächendeckende Kenntnis über die Artenvielfalt und ihre Wechselwirkungen mit der Natur. Nur fehlen dafür meistens die Artenkennerinnen und Artenkenner. Wir würden schon viel mehr über Biodiversität und den Schutz dieser wissen, gäbe es mehr Leute, die sich damit beschäftigen.

Was wären Sie geworden, wenn es mit der Biologie nicht funktioniert hätte?

Vermutlich wäre ich dann jetzt bei der Bundeswehr oder der Bundespolizei.

Was raten Sie jungen Biologen am Beginn ihrer Berufslaufbahn?

Führt Euch immer wieder vor Augen, warum ihr den entsprechenden Beruf gewählt habt. Somit habt ihr immer eine Mission. Vernetzt Euch und findet Personen, die dasselbe Ziel vor Augen haben.

Welcher Teilbereich am LIB liegt Ihnen persönlich besonders am Herzen?

Das liegt natürlich auf der Hand: Die Bildung und Vermittlung. Vor allem der  Bereich der Nachwuchsförderung von Artenkennerinnen und Artenkennern ist für mich eine Herzenssache.


Karsten Stehr
Karsten Stehr koordiniert seit 2020 die Jugendprogramme im FörTax-Projekt am Museum Koenig Bonn. Weiterhin sammelte er Erfahrungen in der Nachwuchsförderung als Projektleiter in den Bildungsprogrammen Taxonomie-Werkstatt und Natur beflügelt, welche ebenfalls für junge Menschen am Museum Koenig angeboten werden. Als Elternzeitvertretung in der Museumspädagogik des Museum Koenig Bonn übernimmt er viele weitere organisatorische Aufgaben. Praktische Erfahrung hat der Biologe schon während und nach seinem Bacherlor- und Masterstudium in der Besucherbegleitung bei SeaLife Königswinter und im Museum Koenig gesammelt. Schon als Heranwachsender widmete er sich der Jugendarbeit in seiner Heimatgemeinde und begeisterte sich für die Arbeit mit jungen Menschen.

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