Gesichter des LIB: Dirk Neumann
„Damit unser Sammlungsmaterial für die Wissenschaft und die Ausstellung zugänglich ist, müssen wir alle in eine Richtung arbeiten.“
Dirk Neumann beim Pinnen eines Schwarzspitzenriff-Hais als Vorbereitung für dessen Präparation. © Dirk Neumann
Der Studentenjob hat für Dirk Neumann mehr als nur die Butter aufs Brot gebracht. In der Steuerung von Prozessen fand er eine Ergänzung zu seinem Interesse an Fischen. Als Sammlungsmanager am LIB in Hamburg fungiert er als Schnittstelle zwischen unterschiedlichen Handlungssträngen. Er optimiert Abläufe, damit alle zusammen möglichst gut auf ein Ziel hinarbeiten. Nebenbei engagiert er sich für Gesetzesänderungen, die unsere Arbeit erleichtern.
Was hat Sie zur Biologie geführt? Gab es ein Schlüsselerlebnis?
Mein erstes Aquarium hat mich zur Biologie geführt. Aber eigentlich habe ich schon vorher als kleinerer Bub viel am Wasser gesessen und nach Kaulquappen und Insekten Ausschau gehalten. Fische haben mich schon immer fasziniert, es gab da auch eine familiäre Vorbelastung. Mein Onkel hatte damals ein Aquarium und schenkte mir in der siebten Klasse mein eigenes. Mein letztes Aquarium führte bei einer Länge von 4.20 Metern durch das Bücherregal meines Büros in München. In der Strömungsrinne mit Wasserfall konnte ich beobachten, wie die Buntbarsche auf die Strömung regierten: nämlich genau wie draußen.
Was wären Sie geworden, wenn es mit der Biologie nicht funktioniert hätte?
Ich wäre wahrscheinlich weiter Ramp Agent am Flughafen geblieben; das war mein Plan B, wenn es als Biologe beruflich nicht geklappt hätte. Während meines Studiums habe ich als kaufmännischer Angestellter bei UPS am Münchener Flughafen gearbeitet. Wir waren für die komplette Abfertigung unseres Fliegers verantwortlich. Das Wichtigste war, dass er pünktlich rausging.
Inwiefern profitieren Sie heute noch beruflich von dieser Erfahrung? Welche Skills brauchen Sie heute zusätzlich zum Biologiewissen?
Als Ramp Agent habe ich gelernt, relativ pragmatisch und lösungsorientiert zu arbeiten, einfach, weil du dort eine hohe Verantwortung getragen hast. Du musstest oft bis an dein Limit gehen, dein Stresslevel kennen und dich blind auf die Kollegen verlassen können. Es gab kein Guru-Wissen. Das war ne super Teamerfahrung. Es war wichtig zu schauen: Wie funktioniert der Prozess. Das ist auch etwas, was ich versuche am LIB einzubringen, dass du diese Verzahnung, diese Prozessabläufe verstehst, das Skalieren.
Welchen Rat haben Sie für junge Biologen, die ihre Karriere beginnen?
Seid neugierig! Und zwar in alle Richtungen. Versucht Grundprinzipien und Zusammenhänge in der Biologie zu verstehen. Gesteht euch eure Fehler ein. Seid bereit, welche zu machen und darüber zu reden.
Was sind die Aufgaben eines Sammlungsmanagers? Wo sehen Sie Ihre Rolle im gesamten LIB?
Die Tätigkeit schwappt aus dem angloamerikanischen rüber. Nur wenige Naturkundemuseen in Deutschland haben bislang einen Sammlungsmanager, das LIB hat drei. Die Arbeit in den Forschungseinrichtungen und in den Sammlungen hat sich sehr verändert: Der Aufwuchs an wissenschaftlichem Personals ist deutlich höher als das des technischen. Zudem wird das Sammlungsmaterial auch zunehmend durch Drittmittel-Projekte hineingebracht, nicht mehr allein durch die Kuratoren der Sammlungen. Die Kuratorinnen und Kuratoren, die bei uns gleichzeitig eine Sektion leiten, können sich gar nicht mehr in der Tiefe um die Details kümmern. Bei Drittmittelprojekten sind die Leute häufig weg, bevor das Material in der Sammlung hinterlegt wurde.
Gleichzeitig nehmen die Anfragen nach Sammlungsmaterial zu. Die Herausforderungen sind groß. Um das wuppen zu können, brauchen wir Prozessabläufe, die die Kolleginnen und Kollegen in den Sammlungen unterstützen und entlasten. Eine Standardisierung hilft uns, denn wenn ein Rädchen nicht funktioniert, ein Mitarbeitender ausfällt, hat das Auswirkungen auf die komplette Prozesskette. Wir brauchen eine Schnittstelle, die dabei unterstützt, die unterschiedlichen Tätigkeiten und Handlungsstränge zusammen zu führen und zwar so, dass es nicht mehr Arbeit macht und in dem Bewusstsein, dass wir alle zusammen an einem gemeinsamen Ziel arbeiten.
Damit wir nicht nur als Einrichtung wissenschaftlich erfolgreich sind, sondern auch, damit unser Sammlungsmaterial für die Wissenschaft und die Ausstellung zugänglich ist, müssen wir alle in eine Richtung arbeiten. Daran werden wir gemessen.
Was ist spannend an der Zusammenführung der Forschungsinstitute in Hamburg und Bonn?
Für mich ist es spannend, die Synergien zwischen Bonn und Hamburg raus zu kitzeln. Hinzu kommt die komplette Planung eines neuen Naturkundemuseums in Hamburg – dazu gehört auch die Unterbringung der Sammlungen. Wie kann eine schlaue Planung in einem neuen Haus die Abläufe in den Sammlungen unterstützen? Es geht nicht darum, das Bestehende zu kopieren, sondern etwas Besseres aufzubauen. Die Aufnahme des gesamten Sammlungsmaterial könnte zentral ablaufen. Dann würden alle Sektionen zusammenarbeiten, jeder kennt die Abläufe der anderen und es gäbe kein Guruwissen.
Was ist für Sie die Kernaufgabe des LIB?
Die Kernaufgabe des LIB ist es, die Sammlungsobjekte für unterschiedliche Zwecke – für die Forschung, Ausstellung und Vermittlung – zugänglich zu machen. Wo nötig, müssen die Prozessabläufe in den Sammlungen optimiert werden, sodass das Wissen einzelner Personen ins Ganze einfließen und nicht verloren gehen kann. Dazu gehört auch, dass die Objekte mit wissenschaftlichen Forschungsdaten verknüpft werden. Hierfür brauchen wir ein grundlegendes Konzept.
Was ist Ihrer Meinung nach derzeit die größte Herausforderung im Umweltschutz?
Bei allen politischen Entscheidungen gibt es ein starkes Spannungsfeld zwischen den Entscheidungsträgern und Interessensgruppen. Unsere Aufgabe ist es, uns mit wissenschaftlichen Fakten einzubringen und ein besseres Verständnis für Zusammenhänge zu vermitteln. Bei vielen Entscheidungen im Naturschutz geht es darum, einzelne Arten und weniger ganze Habitate zu schützen. Ein Kernkonflikt liegt darin, dass der Schutz von Lebensräumen wirtschaftlichen sowie politischen Interessen manchmal nicht entspricht. Wir müssen dabei immer wieder nach dem Warum von Maßnahmen fragen, warum machen wir das und was ist zielführend.
Was sollen die Menschen in zehn Jahren mit dem LIB assoziieren?
Ich würde mir wünschen, dass wir für das ganze Biodiversitätsmonitoring eine große Rolle spielen und hier in zehn Jahren einen guten Punkt gesetzt haben. Für wissenschaftliche Erkenntnisse zum Wandel der Biodiversität tragen wir eine große gesellschaftliche Verantwortung. Rote Listen als Indikatoren reichen nicht aus. Um eine gute Datengrundlage liefern zu können, müssen wir standardisiertes Monitoring mit Zeitreihen von einem Punkt aus und qualifizierbaren Einheiten aufzubauen.
Dirk Neumann ist seit Mai 2022 als Sammlungsmanager des LIB in Hamburg beschäftigt. Sein Studium der Biotechnologie an der Technischen Universität München und der Zoologie an der Ludwig-Maximilians-Universität schloss er mit der Diplomarbeit zum Thema „Morphologische und molekulare Vielfalt von Sarotherodon galilaeus multifasciatus (Fische: Cichlidae) im Bosumtwi-See, Ghana“ ab. Neben seinen Aufgaben als Technischer Assistent der Ichthyologie an den Zoologischen Staatssammlungen Bayerns arbeitete er wissenschaftlich zur Fischfauna des Nils und lieferte Beiträge zur Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik zur Förderung der taxonomischen Forschung. Seit 2011 beschäftigt er sich intensiv mit Fragen des Nagoya-Protokolls, wo er verschiedene Expertengruppen leitet und in internationalen Gremien zum Management wissenschaftlicher Sammlungen mitwirkt. Seine Expertise bringt er nun für das LIB ein.