Gesichter des LIB: Cristina Garilao

“In naturhistorischen Sammlungen ist eine Fülle
von Informationen gespeichert,
die derzeit für die
Biodiversitätsforschung nicht zugänglich sind.”

Beim Klettern in den Bergen genießt Cristina Garilao die Natur in besonderem Maße. © privat

 

Cristina Garilao hat eine berufliche Nische zwischen Biologie und Informatik gefunden: Als Leiterin der Biodiversitätsinformatik des LIB in Hamburg ist sie dafür verantwortlich, Informationen zu Sammlungsobjeten für die Wissenschaft leicht zugänglich zu machen. Mit ihrer Arbeit ermöglicht sie Forschenden weltweit mit den digitalisierten Daten der LIB-Sammlungen wissenschaftlich relevante Fragen zu beantworten.

Was treibt Sie als Forscherin an?

Streng genommen würde ich mich nicht als Forscherin bezeichnen. Obwohl ich mich schon immer für Biologie interessiert habe, wurde mir schon früh in meiner Karriere klar, dass ich nicht selbst forschen möchte. Glücklicherweise fand ich meine Nische bei der Arbeit in verschiedenen Projekten zu Datenbanken. Hier konnte ich an biologischen Daten „basteln“, die schließlich zur Beantwortung einer Vielzahl von Forschungsfragen verwendet werden konnten.

Was bedeutet die Natur für Sie?

Ich bin in einer Großstadt aufgewachsen. Und obwohl ich die gelegentlichen Ausflüge mit meinen Eltern an den Strand immer genossen habe, war ich eine Stadtmaus. Erst nachdem ich meinen Tauchschein gemacht hatte, begann ich die Natur zu schätzen und verbrachte aktiv Zeit darin. Ich erinnere mich an einen Tauchgang an einem flachen Riff, bei dem mir klar wurde, dass ich alle Sorgen des Alltags einfach beiseiteschieben und die Schönheit um mich herum genießen konnte. Seit ich nach Europa gezogen bin, suche ich in den Bergen nach ähnlichen Zufluchtsorten.

Wie würden Sie Ihre Aufgabe in der Biodiversitätsinformatik am LIB beschreiben?

Meine Kernaufgabe ist es derzeit, die vielfältigen digitalisierten Sammlungen im LIB in Hamburg im Collection Management System des LIB zusammen zu fassen. Zuvor haben die Kuratoren die Sammlungen nach ihren Vorstellungen in verschiedenen Datenbanken gespeichert. Mein Ziel ist es, die Daten so zugänglich zu machen, dass sie mit anderen Personen einfach geteilt werden können.

Deshalb hat Ihre Arbeit einen Einfluss auf die Gesellschaft:

In naturgeschichtlichen Sammlungen ist eine Fülle von Informationen gespeichert, die derzeit für die Biodiversitätsforschung nicht verfügbar sind. Gleichzeitig nimmt die biologische Vielfalt in alarmierendem Maße ab. Wir wollen die etwas „versteckten“ Daten in einer auffindbaren, zugänglichen, interoperablen und wiederverwendbar (FAIR) Weise leicht zugänglich machen, damit sie zur aktuellen und zukünftigen Forschung genutzt werden können.

Welcher Aspekt Ihrer täglichen Arbeit ist Ihr Highlight?

Ich liebe die Tage, an denen ich endlich saubere Datensätze in das Datenbanksystem Diversity Workbench importieren und sie online in verschiedenen öffentlichen Portalen sehen kann. Aber ich mag auch die Tage, an denen ich mehr über die Arbeit anderer Kollegen erfahre. Nach dem Besuch von Museen oder Aquarien habe ich mich immer gefragt, was hinter den Kulissen passiert, und jetzt habe ich einen Platz in der ersten Reihe.

Krebse, Fische, Schmetterlinge: Wer hat Ihre persönliche Vorliebe und warum?

Fische. Da ich von den Philippinen komme, hatte ich das Glück, in Gebieten zu tauchen, die als Teil des Korallendreiecks gelten – dem Zentrum der marinen Artenvielfalt. Es war immer atemberaubend. Bei über 3.000 Fischarten kann man in einem Korallenriff Fische in allen Formen und Größen sehen und dann in einem sandigen oder felsigen Gebiet ganz andere Fische beobachten.

Wie würden Sie einem Kind den Wandel der biologischen Vielfalt beschreiben?

Die Natur findet in jedem Lebensraum einen Weg, ein Gleichgewicht zu schaffen, damit alle dort lebenden Pflanzen- und Tierarten gedeihen. Ich würde ein bekanntes Beispiel verwenden, mit dem die Kinder etwas anfangen können. Seegraswiesen sind Meeresgebiete, in denen viele verschiedene Pflanzen und Tiere leben. Grüne Meeresschildkröten ernähren sich von Seegras. Tigerhaie fressen gerne Schildkröten und besuchen Seegraswiesen, um sie zu suchen. Dadurch werden die Schildkröten in der Regel aus dem Gebiet verscheucht, so dass die Seegras wieder wachsen können.  Eine Veränderung der biologischen Vielfalt tritt ein, wenn ein äußerer Faktor das gesamte System stört. Die Beseitigung der Haie (zum Beispiel durch Fischfang) könnte beispielsweise dazu führen, dass Schildkröten indirekt den Lebensraum der Seegraswiesen schädigen, so dass die anderen Tiere dort sterben oder wegziehen, wodurch sich die biologische Vielfalt in dem Gebiet verändert.

Was sollen die Menschen in zehn Jahren mit dem LIB assoziieren?

Ein Institut, das Biodiversitätsforschung auf dem neuesten Stand der Technik betreibt und seine Daten und Ergebnisse gerne mit anderen Forschenden auf FAIRe Weise teilt, mit einem anregenden Museum in Hamburg, das Menschen aus allen Gesellschaftsschichten dafür begeistert, mehr über Biodiversität und Evolution zu erfahren.

Worin sehen Sie die größte Herausforderung im Bereich des Umweltschutzes?

Die Menschen dazu zu bringen und zu motivieren, in ihrem täglichen Leben mit kleinen Dingen zum Umweltschutz beizutragen. Das kann in einigen Teilen der Welt eine ziemliche Herausforderung sein.

Welchen Rat geben Sie jungen Biologen, die am Anfang ihrer Laufbahn stehen?

Die Forschungsinstrumente und -methoden entwickeln sich schnell weiter. Nehmen Sie sich die Zeit zu lernen, was es gibt und was für Ihre Forschung nützlich ist.


Cristina Garilao
wurde 1974 auf den Philippinen geboren, wo sie ihren Bachelor-Abschluss in Biologie und ihren Master-Abschluss in Informationsmanagement erwarb. Bevor sie zum LIB kam, arbeitete sie in verschiedenen Funktionen an internationalen Projekten wie FishBase (ein globales Informationssystem über die biologische Vielfalt von Fischen) und AquaMaps (ein Ansatz zur Erstellung modellbasierter, großmaßstäblicher Vorhersagen über die natürliche Verbreitung von Meeresarten). Nachdem sie 14 Jahre lang für das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel gearbeitet hat, begann sie im November 2021 als Biodiversitätsinformatik-Leiterin am LIB in Hamburg.

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