Gesicht des LIB: Thomas Wesener

„Beim Naturschutz hapert es selten an den menschlichen Bedürfnissen,
sondern zu oft an den menschlichen Entscheidungen.“

© privat

 

Am liebsten entdeckt er das bislang Unbekannte: Als Leiter der Sektion Myriapoda und Kurator der dazugehörigen Sammlung am Museum Koenig Bonn, ist Thomas Wesener wissenschaftlich mit Tausendfüßern bestens vertraut. Am LIB hat er seinen Traumberuf gefunden und arbeitet daran, dass wir bald mehr als nur etwa zehn Prozent aller Tausendfüßer kennen.

 

Was ist Ihr Highlight während des Alltags am LIB?

Die Forschung. Wenn es mir geling etwas Neues, etwas Unbekanntes durch meine Forschung zu entdecken. Wenn ich eine neue Art entdecke oder mir endlich ein neues System klar wird – entweder in der Natur oder in unserer Museumslandschaft – das ist immer ein großes Highlight für mich. Das kommt dankenswerterweise fast jeden Monat bei mir vor. Zuletzt war es eine große Sammlungen Höhlentausendfüßern aus Kambodscha, die wir erhalten haben. Hier gibt es zahlreiche Höhlen und in jeder einzelnen wurden andere Tiere gefunden, die bis zuletzt unbekannt und unbeschrieben waren. In dem Land sind bislang nur etwa 40 Arten von Tausendfüßern bekannt, dort kommen aber sicherlich über 300 verschiedene Arten vor. Das birgt für meine Arbeit ein unglaubliches Potenzial.

Welche Tiere liegen Ihnen besonders am Herzen?

Ich erforsche Tausendfüßer, weil noch so wenig über diese Tiere bekannt ist und sie sich auf so vielfältige Weise entwickelt haben. Noch etwa 90 Prozent aller Arten sind uns noch unbekannt. Gerade über ihre Lebensweise wissen wir noch relativ wenig. Über meine Forschung hinaus bin ein echter Fan von Sumatra-Nashörnern. Das ist ein völlig verrücktes Nashorn, dass eigentlich viel zu klein ist. Es wird deshalb auch Zwergnashorn genannt. Es hat zudem rotes Haar und zwei Hörner – statt nur einem. Es kann pfeifen und es flötet gerne vor sich hin. Wir glauben immer, dass wir als Zoologen so einen guten Überblick haben, aber dann steht man vor so einem Tier und ist wie von den Socken gehauen, weil man so etwas nicht erwartet hat.

Gibt es einen Ort in der Natur, der eine besondere Bedeutung für Sie hat?

Es gibt hier in der Nähe einen alten Vulkan – der heißt „Bausenberg“ bei Niederzissen in Rheinland-Pfalz. Dort ist es immer etwa fünf Grad wärmer als in der Umgebung und aus diesem Grund kommen dort viele Tier- und Pflanzenarten vor, die wir sonst nur vom Mittelmeerraum kennen. Praktisch eine ganz eigene Welt, die mich aus diesem Grund besonders fasziniert. Besonders im Frühling ist es für meine Familie und mich ein sehr beliebtes Ziel für Tagesausflüge. Durch die etwas wärmere Temperatur können dort immer etwas eher ohne Jacken rumlaufen. Die dortige Lavalandschaft finden auch unsere Kinder toll.

Wie würden Sie Kindern oder Älteren den Fachbegriff „Biodiversität“ näherbringen?

Die umgangssprachliche Übersetzung für den Begriff – Artenvielfalt – passt sehr gut, finde ich. Oft sind die Menschen überrascht, was sich unterm Mikroskop in einer Handvoll Erde verbirgt und welche Vielfalt von Arten wir dort finden. Wer genauer hinsieht, merkt, dass nicht „nur“ Enten auf einem Teich schwimmen, sondern sie sich im Farbe, Größe und Verhalten voneinander unterscheiden. Wichtig ist, dass wir hinsehen und uns dieser Unterschiede bewusst sind. Unsere Arbeit hier im LIB ist deshalb wichtig, dass wir der Gesellschaft den Schwund der Artenvielfalt bewusstmachen und durch unsere Forschung weiter belegen.

Was sollen die Menschen in zehn Jahren mit dem LIB in Verbindung setzen?

Ich würde mir wünschen, dass auch in den Ausstellungen der Biodiversitätswandel und das Artensterben sichtbarer werden. Ein Großteil unseres Budgets fließt in die Forschung und das sollte dann auch in der Ausstellung zu sehen sein. Gerade mit Blick auf ein neues Naturkundemuseum in Hamburg, würde ich mich über diese Entwicklung sehr freuen.

Die größte Herausforderung beim Artenschutz?

Das ist für mich das Artensterben. Viele Arten sterben auch einfach nur aus menschlicher Fehlplanung und Dummheit aus. Weil „es sich nicht vermeiden lässt“. Ein gutes Beispiel dafür ist der Feldhamster in Nordrhein-Westfalen: Hier wurden Bauprojekte auf Feldern initiiert, die als seltengewordene Habitate für das kleine Nagetier gelten. Obwohl es ausreichend freie Felder gäbe, entschied man sich gegen den Schutz der Tiere und für dieses Bauvorhaben. Es hapert selten an den menschlichen Bedürfnissen, sondern zu oft an den menschlichen Entscheidungen.

Wann war für Sie klar: Biologe zu sein, ist mein Traumberuf!

Das war mir als Kind schon klar. Das Interesse an Tieren war immer da und ich wollte immer etwas Neues und Unbekanntes über Tiere wissen. Diese Neugier habe ich heute immer noch und hat mich damals auch zum Biologie-Studium motiviert. Die Aufgaben sind jedoch vielfältiger als ich zunächst angenommen hatte. Im ersten Semester wurde mir dann klar, wie viel weiter mein Wissen als Biologie reichen muss und wie viel wir insgesamt über die Natur noch gar nicht wissen. Ich finde spannend, wie viel es noch zu entdecken gibt.

Hätte es für Sie eine Alternative gegeben?

Wahrscheinlich hätte ich Geschichte studiert – das wäre meine Alternative gewesen. Auch in dem Fachgebiet hätte ich gerne Dinge entdeckt, die uns noch unbekannt sind. Aber um ganz ehrlich zu sein: Ich habe mich als Biologe in der ganzen Welt beworben – auch in Korea und Russland – um meinen Traum verwirklichen zu können. Da fällt es mir schwer, diese „Alternative“ ernsthaft in Betracht zu ziehen. Diese Stelle als Kurator der Sammlung und Forscher am Museum Koenig Bonn ist mein erfüllter beruflicher Traum.

Was würden Sie einer jungen Biologin oder einem jungen Biologen zum Beginn der eigenen Berufslaufbahn raten?

Wenn Ihr das wirklich machen wollt, dann sucht Euch direkt ein Projekt aus, wo Euer ganzes Herz und Eure Leidenschaft drinhängen. Zwischendurch wird es immer schwierige Momente geben, und wenn nicht ein gewisses Feuer in einem brennt, wird es schwer diese Hürden zu überwinden. In der Lehre habe ich vor allem mit Master-Studierenden zu tun und sehe in ihren Gesichtern sehr viel von dieser Leidenschaft. Für die Laufbahn in der Wissenschaft sollte man zudem auch örtlich flexibel sein und Stellen auch annehmen, wenn sie im weit entfernten Ausland ausgeschrieben sind.

Welcher Teilbereich am LIB liegt Ihnen besonders am Herzen?

Ich finde unsere Sammlungen generell toll. Also nicht nur meine eigene, denn die bedeutet für mich natürlich auch Arbeit, sondern beispielsweise auch die entomologische Sammlung hier in Bonn. Man betritt den Raum und da sind 2,5 Millionen Schmetterlinge hinter Glas – besser können wir anderen Menschen die Artenvielfalt nicht näherbringen, finde ich. Diese unterschiedlichen Farben, Formen und Größen sind sehr beeindruckend.

 

Dr. Thomas Wesener ist im Ruhrgebiet geboren und aufgewachsen. Vom 1999 bis 2004 hat er an der Ruhr-Uni Bochum – zum Thema Riesenkugeltausendfüßer in Küstenregenwäldern Madagaskars – Biologie studiert. Anschließend schrieb er seine Doktorarbeit über die Faunas von Tausendfüßern Madagaskars in Bochum und Bonn. Von 2008 bis 2010 war er Postdoc am Field Museum in Chicago. Seit Ende 2010 ist Thomas Wesener Kurator für Myriapoda (Tausendfüßer) am Museum Koenig Bonn. Seit einem Jahr leider der einzige Kurator für Myriapoda in ganz Deutschland.

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