Gesichter des LIB: Bernhard Misof

©ZFMK, Bernhard Misof

 

Als Generaldirektor bekleidet er nun die höchste Leitungsebene im Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB): Mit Prof. Dr. Bernhard Misof startet unsere Reihe „Gesichter des LIB“, in der wir all diejenigen vorstellen, die für das LIB forschen, sammeln, gestalten, kommunizieren und ihren Beitrag zum Erfolg beisteuern. Er ist mit der Gründung des LIB für die Standorte in Bonn und Hamburg verantwortlich. Den Ton für die künftige inhaltliche Ausrichtung des Instituts stimmt er an.

Was hat Sie zur Biologie geführt?

Schon früh entwickelte ich eine Leidenschaft für die Natur und die Biologie. Mit vier Jahren hat mir mein Großvater die Welt der Schmetterlinge nahegebracht und damit die Leidenschaft für die Lebewesen weiter gefördert. Obwohl ich schon zu Grundschulzeiten den Wunsch hatte, in die Welt hinauszugehen, studierte ich zunächst Biologie in Wien. Nach meiner Diplomarbeit zu Fragen der evolutionären Entwicklungsbiologie zog es mich an die Yale University in die USA. Als dann 1995 das Aufenthaltsvisum meiner Frau ablief, mussten wir zurück nach Europa. Wir hatten uns während des Studiums während einer Exkursion auf den Malediven kennengelernt. Inzwischen sorgen meine Familie und vor allem meine fünf erwachsenen Kinder dafür, dass es auch in meinem Privatleben spannend bleibt.

Welche Herausforderungen warten nun auf Sie als Generaldirektor des LIB?

Mit der Aufgabe kommen nun für mich als Wissenschaftler viele ungewohnte und auch ungewöhnliche Aufgaben zu: Das Management des eigenen Hauses, des Personals und die Zusammenarbeit mit der Verwaltung waren bis jetzt eingespielt. Nun wird ein großes weiteres
Museum in Hamburg mit vielen neuen Kolleginnen und Kollegen integriert. Neue wissenschaftliche Zentren wollen wir sukzessiv und kreativ gemeinsam mit unseren Mitarbeitenden ausbauen.

Was motiviert Sie und stellt Sie in Ihrer Arbeit zufrieden?

Das Schöne an der Arbeit als Generaldirektor ist die Kombination aus wissenschaftlicher Arbeit und dem Umgang mit den Menschen – einerseits mit den eigenen Mitarbeitenden als auch mit den Besuchenden. Dieses Leibniz-Institut zu einem einzigartigen Forum des inhaltlichen  Austauschs über den Biodiversitätswandel auszubauen, ist für mich ein großer Anreiz. Ich möchte viele Fakten zusammentragen und unterschiedliche, fachliche Meinungen wahrnehmen. Dank des digitalen Fortschritts ist es sogar nun möglich, ortsunabhängig mit der Fachwelt und Öffentlichkeit diskutieren. Mein Ziel ist es, innovative Methoden und frische Ideen einzusetzen, um die Veränderung der biologischen Vielfalt immer besser zu verstehen und zu erklären.

Welcher Aspekt Ihres Berufsalltags ist Ihr Highlight?

Mit den vielen Kolleginnen und Kollegen zusammenzuarbeiten. Der Austausch mit ihnen zu Fragen der Biodiversitätsanalyse, der Vermittlung, der Umsetzung von Ideen sind meine Highlights. Universitäre Arbeit ist in der Regel nicht so vielfältig wie die Arbeit an einem Forschungsmuseum. Das ist einerseits natürlich herausfordernd und bringt einen andererseits immer zumindest mit einem Bein an den Rand des Unbekannten, des Unverstandenen und auch manchmal der Unwissenheit. Zusätzlich gilt, dass wir als „Museumsmenschen“ die Veränderungen unserer Gesellschaft spüren müssen, um darauf reagieren zu können. Diese Sensibilität zu entwickeln, verlangt von jedem von uns sehr viel.

Ist die Ernennung zum LIB-Generaldirektor ihr bislang größter beruflicher Erfolg?

Natürlich fühle ich mich geehrt, dass ich diesen verantwortungsvollen Titel tragen darf. Der Generaldirektor des LIB zu sein, ist auch eine Aufgabe mit viel Verantwortung und Verpflichtungen.  Beruflicher Erfolg lässt sich nicht wirklich messen. Ich sehe als großen Gewinn unsere beiden Häuser in Hamburg und Bonn – wo es sichtbar im Team geschafft wurde, Menschen zu bewegen, eingefahrene Handlungsstränge zu durchbrechen und Neues zu schaffen. Dies sind dann Erfolge des Teams.

Sie wollten schon immer Biologe werden und sind es geworden. Wäre eine Alternative denkbar gewesen, wenn es doch nicht geklappt hätte?

Von außen betrachtet scheint mein Lebensweg tatsächlich sehr gerade zu verlaufen. Naturwissenschaften seit meiner Kindheit – der Wunsch Wissenschaftler zu werden – solange ich denken kann. Allerdings habe ich diesen Weg als Jugendlicher bewusst gewählt – in einer Phase, als
ich mein Leben stark reflektiert und meine Zukunft selbst bestimmen wollte. Ich sehe in wissenschaftlicher Tätigkeit sowohl mein künstlerisches als auch mein wissenschaftliches Interesse immer eng miteinander verbunden. Ich habe wirklich nie darüber nachgedacht, etwas anderes zu machen.

Haben Sie schon mal gemeint, einem Irrtum zu erliegen?

Irrtümern erliegt man täglich. Entscheidend ist die Reflexion. Als Direktor, aber nicht nur als Direktor ist das so, dass man an jedem Tag viele Entscheidungen treffen muss. Das wichtige ist Fehler zu erkennen und sie zu korrigieren.

Welchen gesellschaftlichen Herausforderungen muss sich das LIB nun stellen?

Der umfassende Verlust an Biodiversität hat einen großen Einfluss auf die Zukunft von uns Menschen und der Gesellschaft. Unser Forschungsmuseum hat den Auftrag diese Problematik in die breite Öffentlichkeit zu tragen und ihre Folgen für uns alle explizit darzustellen. Wir haben eine Zukunftsverpflichtung im Sinne langfristiger generationenübergreifender Erhaltungsstrategien. Wir verfolgen das Leitmotiv: Artenvielfalt erforschen und erhalten.

Über Prof. Dr. Bernhard Misof
Seit dem 1. Juli 2021 ist er Generealdirektor des LIB. Zuvor leitete er kommissarisch das Museum Koenig. In dieser Funktion hat Misof das Haus bereits zweimal erfolgreich durch die strengen Evaluierungsverfahrung der Leibniz-Gemeinschaft gelotst und somit eine tiefgehende Prüfung der Arbeitsqualität am Institut begleitet. Seit dem 1. Mai 2020 leitet er das Museum Koenig als Direktor und nimmt nun die Funktion eines Generaldirektors am LIB ein. Nach seiner Habilitation und venia legendi an der Universität Bonn 2002, war Misof auch an der Universität Kopenhagen und dem Zoologischen Museum der Universität Hamburg beschäftigt. Seit 2010 ist er als Professor an der Universität Bonn tätig und war dort zehn Jahre lang Leiter des Zentrums für Molekulare Biodiversitätsforschung.

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