Schatz des Monats: Drei gebietsfremde Landschnecken

Von links nach rechts: Lissachatina fulica, Polygyra cereolus und Gastrocopta sterkiana im Detail zu sehen. In Wirklichkeit unterscheiden sie sich stark in ihrer Größe. © LIB, Lauschke

 

Landschnecken sind allgemein eher nicht dafür bekannt, schnell von A nach B zu kommen. Dennoch sorgen wir Menschen oft unabsichtlich dafür, dass manche Arten sehr weite Strecken zurücklegen und sich in einem völlig fremden Land ausbreiten können. Sie fahren als blinde Passagiere auf Schiffen mit, verstecken sich in Ladungen oder werden vom Winde verweht. Wir stellen in diesem Monat drei Schnecken vor, die weitab ihrer Heimat ein neues Zuhause gefunden haben.

Unsere Schätze sind allesamt Einwanderer in die West Paläarktis – ein Gebiet, dass Europa, den Mittelmeerraum und den Mittleren Osten umfasst. Diese Funde wurden von Dr. Bernhard Hausdorf, dem Leiter der Weichtiersektion am Museum der Natur Hamburg, in einer Übersichtsstudie zusammengetragen. Alle drei erzählen dabei eine ganz eigene Geschichte, wie sie den Sprung über die Ozeane auf unseren Kontinent geschafft haben.

Eine amerikanische Püppchenschnecke (Gastrocopta sterkiana) wurde bereits 1972 in Israel entdeckt. Diese Art stammt ursprünglich aus Nordamerika und wurde in der En Gedi Oase am Westufer des Toten Meers gefunden. Mitte des 20. Jahrhunderts entstand hier ein Botanischer Garten mit Pflanzen aus der ganzen Welt. Mit diesen Pflanzen, hat diese Art wahrscheinlich die Reise von Amerika nach Israel angetreten. Für das dortige Ökosystem gilt sie als unbedenklich.

Die Große Ostafrikanische Achatschnecke (Lissachatina fulica) ist hingegen in vielen Teilen der Welt bereits invasiv – also sowohl gebietsfremd als auch schädlich für die Ökosysteme. In tropischem Klima kann sie sich explosionsartig ausbreiten. Auch sie wurde nicht nur in Israel, sondern auch am Ebrodelta im Nordosten Spaniens entdeckt. „Das Klima im Mittelmeerraum ist allerdings zu trocken, so dass Bestände nur auf bewässerten Flächen überleben können und die Art natürliche Ökosysteme hier nicht gefährdet“, schätzt Hausdorf.

 

Die tatsächliche Größe der Arten wird im direkten Vergleich deutlich: Während die Große Achatschnecke bequem in eine Hand passt, werden die gebietsfremde amerikanische Schnirkelschnecke (Polygyra cereolus) in einem Glasröhrchen und die amerikanische Püppchenschnecke (Gastrocopta sterkiana) in einer Pillenhülle aufbewahrt. © LIB, Steinkröger

 

Eine Maßnahme von Menschen, um gegen die unerwünschte Art vorzugehen, war in der Vergangenheit die gezielte Einfuhr von Raubschnecken, die die gebietsfremde Achatschnecke vertilgen sollten. Leider fielen dieser Strategie dann auch endemische Arten zum Opfer, die ebenso wehrlos ihren neuen Feinden nichts entgegenzusetzen hatten. Zudem machen wir es gebietsfremden Arten leichter sich anzusiedeln, in dem wir die natürlichen Lebensbedingungen zerstören, auf die die heimischen Schnecken angewiesen sind.

Eine gebietsfremde amerikanische Schnirkelschnecke (Polygyra cereolus) wurde zunächst auf der arabischen Halbinsel entdeckt. Damals vermuteten die Forscher, dass sie durch die Militäroperation „Desert Storm“ verschleppt worden sei. Kriegsmaschinen bieten den Schnecken genug Schutz, um unentdeckt als blinde Passagiere um die Welt zu reisen. „In den folgenden Jahren hat sie sich sehr rasch über den gesamten Mittelmeerraum verbreitet, sodass sie mittlerweile etwa in Ägypten, Tunesien, Libyen, Spanien, Italien und der Türkei zu finden ist“, sagt Hausdorf.

„Eine vergleichsweise sehr flinke Schneckenart kann sich aktiv etwa zehn Meter weit im Jahr ausbreiten. Dagegen können Schnecken passiv zum Beispiel durch Vögel oder ganz kleine Arten auch durch den Wind viel rascher verbreitet werden und an weit entfernte Orte, oder sogar Inseln gelangen“, fasst Hausdorf zusammen. So sei es überhaupt möglich, dass Landschnecken ozeanische Inseln wie Hawaii besiedelt haben. Da die meisten Landschneckenarten zwitterig sind, ist die Gründung einer neuen Population durch wenige Tiere erleichtert. Manche Arten können sich sogar selbst befruchten.

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