„Große Muckies und Runzelhaut“: die Herkules-Pseudoskorpione

Hier gut zu sehen: Die massigen Arme, die Arnold Schwarzenegger zu einem der Namensträger gemacht haben sowie die vier Höcker vorne am Kopf, dem Carapax, die an eine Krone erinnern. © LIB, Lorenz


Forschende des LIB haben in ihrer neuesten Publikation drei neue Gattungen mit insgesamt zwölf neuen Arten von Pseudoskorpionen entdeckt und beschrieben. Sie alle stammen aus Madagaskar – einem Hotspot für Biodiversität und endemische Arten. Das Team aus Forschenden um Michelle Lorenz hatte dabei kreative Ideen für die Namensvergabe der etwa zwei Millimeter großen Tierchen.

Frida Kahlo, Arnold Schwarzenegger und Herkules – sie alle gehören zu den Namensvetterinnen und -vettern der neuen Pseudoskorpione, die in der Arachnologie am Museum der Natur Hamburg kürzlich beschrieben wurden. Die prominenten Namen passen zu den Tierchen, da sie sich in ihrem Körperbau widerspiegeln: Sie verfügen über vergleichsweise massige „Arme“, sogenannte Pedipalpen, die sie optisch von den meisten ihrer Verwandten abheben. Die Art, die nach der mexikanischen Künstlerin benannt ist, zeichnet sich durch ein besonders dichtes „Fell“ über der Augenpartie aus.

Alles begann mit der Bachelor-Arbeit von Michelle Lorenz, die sie in der Arachnologie des LIB in Zusammenarbeit mit Dr. Danilo Harms, schrieb. Hier grenzte sie die ersten vier Arten ab und lernte dabei viel über die taxonomische und molekulare Arbeit an Naturkundemuseen. Pseudoskorpione sind die kleinen Verwandten der Skorpione und so winzig, dass es schwierig ist, ohne Hilfsmittel und mit dem bloßen Auge Unterschiede zwischen den einzelnen Arten zu erkennen. Mithilfe von molekularen Untersuchungen und der Rasterelektronenmikroskopie fielen Lorenz aber dennoch Unterschiede auf, die sie bei den Beschreibungen der neuen Arten nutzen konnte. „Mit jeder neuen Untersuchungsmethode, die ich anwandte, habe ich neue Details – zum Beispiel neue Organe – erkannt, die mir bei der Abgrenzung geholfen haben.“, sagt Lorenz. Unter dem Rasterelektronenmikroskop kämen die extrem kräftigen Arme der Pseudoskorpione mit scharfen Scheren am Ende gut zur Geltung – obwohl sie in Realität nur etwa 0,2 Millimeter groß sind.

Für die Veröffentlichung in „Arthropod Systematics & Phylogeny“ haben die Forschenden noch weitere acht Arten beschrieben, die sie auf drei neue Gattungen aufteilen konnten. Diese richten sich nach ihrem jeweiligen Vorkommen im Norden, Süden und Westen Madagaskars. Die Tiere wurden während einer Expedition von der California Academy of Science (CAS) zwischen 2002 und 2004 gesammelt und an Experten vom Museum in Hamburg übersandt. „Wenn wir uns bewusstmachen, dass diese Tiere sehr versteckt in der Bodenstreu leben und höchstens einige Zentimeter weit am Tag krabbeln können, ist der Fund echt ein Glücksgriff.“, resümiert Lorenz. „Unsere Forschungen sind wichtig, denn kaum eine andere Region der Erde erleidet so starken Biodiversitätsverlust wie Madagaskar. Einige der neuen Arten haben extrem kleine Verbreitungsareale und sind vermutlich stark bedroht oder sogar schon ausgestorben, wenn man bedenkt, dass etwa 95 Prozent der natürlichen Habitate auf Madagaskar bereits verloren gegangen sind. Deshalb ist ihre Entdeckung und Beschreibung auch praktisch wichtig.“

Für Arnold Schwarzenegger als Namensgeber haben sich die Forschenden nicht nur aufgrund seiner beeindruckenden Oberarme entschieden: Sie wollen hiermit auch seinen Einsatz für den Umweltschutz ehren, den er während seiner zwei Amtszeiten als Gouverneur von Kalifornien geleistet hat. Die vielfältige Biodiversität von Madagaskar ist von uns Menschen und unserer Lebensweise stark bedroht, sodass wir mit den prominenten Namen auf eine sehr lockere Weise, auf ein ernstes Thema hinweisen wollen.“, sagt Danilo Harms, Sektionsleiter der Arachnologie am LIB.

Veröffentlichung:
Michelle Lorenz, Stephanie F. Loria, Mark S. Harvey, Danilo Harms, „The Hercules pseudoscorpions from Madagascar: A systematic study of Feaellidae (Pseudoscorpiones: Feaelloidea) highlights regional endemism and diversity in one of the “hottest” biodiversity hotspots“, Arthropod Systematics & Phylogeny 80 (2022), https://doi.org/10.3897/asp.80.e90570

Kontakt:
Dr. Danilo Harms
Leiter der Sektion Arachnida & Myriapoda
Museum der Natur Hamburg
Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels
d.harms@leibniz-lib.de

Hier zu sehen ist das Weibchen einer der neuen Arten. Auf den ersten Blick erinnern sie etwas an Zecken, sind aber eigentlich nächste Verwandte der „richtigen“ Skorpione. © LIB, Lorenz
Während der Arbeit galt es, minimale Unterschiede zwischen den Tieren herauszufinden, wie beispielsweise verschiedene Abstände zwischen den Sinneshaaren, die sich auf den Scheren, den sogenannten Cheliceren der Tiere befinden. Aufgenommen wurde dieses Bild mit einem Elektronenmikroskop. © LIB, Lorenz

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