Paneuropäische Genomforschung soll weltweit die biologische Vielfalt retten

Das Team, das im LIB für das paneuropäische BGE-Projekt verantwortlich ist: Dr. Jonas Astrin, Sektionsleiter, Biobank-Kurator, Dr. Astrid Böhne, Sektionsleiterin Vergleichende Genomik (Wirbeltiere), Dr. Sarah Bourlat, Sektionsleiterin Metabarcoding. © LIB, Niephaus

 

Expertinnen und Experten aus ganz Europa starten heute mit vereinten Kräften das paneuropäische Konsortium „Biodiversity Genomics Europe (BGE)”. Die umfassende Anwendung der Genomik auf die Erforschung der biologischen Vielfalt wird die Wissenschaft und Umweltpolitik grundlegend verändern. Das neue DNA-Daten-gestützte Projekt zur Erhaltung der biologischen Vielfalt auf der Erde ist beispiellos. Mit modernen Methoden und Techniken haben Genomsequenzierungen und DNA-Barcoding das Potenzial, die Bestandsaufnahme der Lebewesen auf der Erde drastisch zu beschleunigen und unser Verständnis von Biodiversität zu vertiefen. Das LIB unterstützt das BGE-Projekt im Bereich des Proben- und Datenflusses, von der Beprobung über die Metadatenerfassung bis hin zur ultrakalten Probenlagerung in der Biobank.

Die Zeit läuft ab. Eine von vier Arten auf unserem Planeten ist derzeit vom Aussterben bedroht. Im Kampf gegen den Artenschwund und die Zerstörung der Ökosysteme brauchen wir umfassendes Wissen darüber, wie das Leben auf der Erde funktioniert und auf Umweltbelastungen reagiert. Das fehlt uns bislang. Trotz Forschung sind schätzungsweise weltweit 80 Prozent der Arten noch nicht wissenschaftlich beschrieben. Das BGE-Konsortium soll einen Quantensprung in der Nutzung der Genomik in Europa bewirken und uns damit die Möglichkeit liefern, in kürzerer Zeit deutlich schneller wichtige Informationen über unsere Ökosysteme zu generieren.

Im Biodiversity Genomics Europe- Projekt werden in Europa bestehende internationale Wissenschafts-Netzwerke für zwei grundlegende DNA-basierte Technologien – DNA-Barcoding und Genomsequenzierung – zusammengeführt, die sich mit der Bestandsaufnahme der biologischen Vielfalt zum Verständnis von biologischen Systemen und der Wechselwirkung zwischen Arten und Umweltveränderungen beschäftigen.

Das mit 21 Millionen Euro ausgestattete BGE-Projekt wird von der Europäischen Kommission sowie von den Regierungen des Vereinigten Königreichs und der Schweiz kofinanziert. Es läuft bis 2026 und bringt Organisationen des europäischen DNA-Barcoding-Projekts BIOSCAN* und der Genomsequenzierungs-Initiative ERGA* zusammen, die Teil des International Barcode of Life und des Earth BioGenome Projects sind.

„Wir freuen uns sehr, mit unserem Know-how im LIB und unserer Infrastruktur das zukunftsweisende BGE-Projekt unterstützen zu können”, betont Dr. Astrid Böhne, Sektionsleiterin Vergleichende Genomik (Wirbeltiere) und Projektleitung der ERGA-Initiative am Museum Koenig Bonn des Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB). „Eine unserer zentralen Aufgaben im LIB ist es, mit unserer Forschung zum Verständnis von biologischen Systemen und der Wechselwirkung zwischen Arten und Umweltveränderungen beizutragen.”

Das LIB koordiniert im BGE-Projekt den gesamten Probendatenfluss für den Bereich der ERGA-Initiative. Für die Archivierung molekularer Proben im gesamten BGE-Projekt sind die Fachleute der LIB-Biobank verantwortlich. Unter der Koordination von Dr. Jonas Astrin arbeiten sie mit an der Entwicklung von Zellkulturen, die als Ressource unter anderem zur Genomsequenzierung dienen. Die Koordination von Citizen Science im Barcoding-Bereich des Projektes hat Dr. Sarah Bourlat übernommen.

DNA-basierte Biodiversitätsforschung: Europa schaltet Turbo ein

Die EU-Strategie zur Erhaltung der biologischen Vielfalt bis 2030 und der Europäische Green Deal enthalten klare Verpflichtungen zur Bewältigung von Herausforderungen. Dazu zählen der Rückgang der Bestäuber, die Schädigung wichtiger Land-, Süßwasser- und Meereslebensräume und die Auswirkungen einwandernder Arten auf die biologische Vielfalt. Das aus dem EU Programm Horizon Europe finanzierte BGE-Konsortium bietet die Mittel zur Erreichung dieser Ziele.

 

Kontakt

Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels (LIB)
Museum Koenig Bonn
www.leibniz-lib.de
Twitter: @Leibniz_LIB

Dr. Astrid Böhne
Sektionsleiterin Vergleichende Genomik (Wirbeltiere)
Projektleitung ERGA
E-Mail: A.Boehne@leibniz-lib.de
Twitter: @astrid_boehne

Dr. Sarah Bourlat
Sektionsleiterin Metabarcoding
E-Mail: S.Bourlat@leibniz-lib.de

Dr. Jonas Astrin
Sektionsleiter, Biobank-Kurator
E-Mail: J.Astrin@leibniz-lib.de

Biodiversity Genomics Europe (BGE)
E-Mail: info@biodiversitygenomics.eu
Darwinweg 2, 2333 CR – Leiden (Niederlande)
https://biodiversitygenomics.eu
Twitter: @BioGenEurope

Hintergrund

  • Beim DNA-Barcoding werden kurze DNA-Sequenzen verwendet, um zwischen verschiedenen Arten zu unterscheiden – ähnlich wie bei herkömmlichen Strichcodes zur Unterscheidung von Produkten in einem Supermarkt.
  • Die Genomsequenzierung bestimmt die Reihenfolge der DNA-Nukleotide – die Bausteine des genetischen Codes – im gesamten Genom einer bestimmten Art. Auf diese Weise können Forschende Gene und andere Merkmale des Genoms identifizieren und lokalisieren, um so eine vergleichende „Landkarte” des Codes zu erstellen, aus dem jeder Organismus besteht.
  • *BIOSCAN Europe (104 Partnereinrichtungen in 29 Ländern) führt bestehende europäische nationale Netzwerke, Forschende sowie Projekte zusammen, die sich mit der Überwachung der biologischen Vielfalt mit Hilfe von DNA befassen. Ziel ist, ein effizientes europäisches System miteinander verbundener Einrichtungen zur schnellen Identifizierung und beobachtende Bestandsaufnahme von Arten aufzubauen. Die Initiative ist Teil des International Barcode of Life Consortium (iBOL) und seiner globalen BIOSCAN-Initiative, die darauf abzielt, das Verständnis der Artenvielfalt, ihrer Interaktionen und ihrer Dynamik zu verbessern. Ziel von BIOSCAN Europe ist es, einen europäischen Knotenpunkt für das International Barcode of Life-Konsortium zu schaffen.
  • *Die ERGA-Initiative (European Reference Genome Atlas, 709 Mitglieder in 37 Ländern) ist eine paneuropäische wissenschaftliche Gemeinschaft von Expertinnen und Experten auf dem Gebiet der Genomsequenzierung, die die Erstellung von Referenzgenomen für alle eukaryontischen europäischen Arten koordinieren soll. ERGA verfolgt ein verteiltes Modell, um ein kollaboratives und interdisziplinäres Netzwerk von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in ganz Europa und assoziierten Ländern zu schaffen und zu konsolidieren. ERGA unterstützt die Entwicklung und Verbreitung von Leitlinien für die Skalierung aller Schritte, die für die Erzeugung von Referenzgenomen auf dem neuesten Stand der Technik erforderlich sind, mit Schulungen und Wissenstransfer.

Unter www.bioscaneurope.org und www.erga-biodiversity.eu finden Sie weitere Informationen zu den einzelnen Mitgliedern der beiden Netzwerke.

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