Unser Schatz des Monats: Eine skalaride Weinbergschnecke

© LIB, HausdorfNoch zu Lebzeiten: Die skalaride Weinbergschnecke Helix pomatia aus Darmstadt. © Medina España

 

Unser Schatz des Monats war keine gewöhnliche Weinbergschnecke. Ihr Gehäuse macht sie zu einem außergewöhnlichen Exemplar für die Malakologische Sammlung des LIB. Anders als viele ihrer Artgenossen verfügte unser Schatz über ein Schneckenhaus, das sich treppenhausförmig in die Höhe streckt. Handelt es sich dabei um eine Laune der Natur wie bei dem Narwalschädel mit zwei Stoßzähnen oder gar um eine neue Art?

Normalerweise bilden die Umgänge von Weinbergschnecken Helix pomatia ein kugeliges Gehäuse. Unser Schatz des Monats zog jedoch mit einem skalariden Gehäuse ihre schleimigen Spuren, das ähnlich wie ein Treppenhaus spiralförmig in die Höhe wuchs. Wie genau die Fehlbildung entsteht, ist nicht bekannt.

 

© LIB, Hausdorf
Das skalaride Gehäuse unseres Schatzes, der Weinbergschnecke Helix pomatia. © LIB, Lauschke

 

Die skurrile Ausbildung kann unterschiedliche Ursachen haben, sagt Prof. Dr. Bernhard Hausdorf, Leiter der Sektion Mollusca am LIB: „Sie können auf nicht-genetische Fehlbildungen in der frühen Entwicklung zurückgehen oder auf Mutationen des Erbgutes zurückzuführen sein.“ Tatsächlich gäbe es in verschiedenen Schnecken-Gruppen bereits in den Genen fixierte Mutationen, die skalaride Gehäuse charakteristisch für die jeweiligen Arten machten, erläutert der Experte von Mollusken weiter. Das sei aber bei der Weinbergschnecke nicht der Fall.

 

© pixabay
So sehen die Gehäuse der Weinbergschnecke ohne Missbildung aus. © pixabay

 

Seit dem Mittelalter gibt es Weinbergschnecken auch in Norddeutschland: Mönche haben sie bei ihren Klöstern angesiedelt, um in der eigentlich „fleischlosen“ Fastenzeit proteinreiche Nahrung verspeisen zu können, ohne dabei über ihre Glaubensgrundsätze zu stolpern. Die Weinbergschnecke ist die in Europa am weitesten verbreitete Art der Gattung Helix.

In ihrem Garten bei Darmstadt entdeckte Medina España die Weinbergschnecke mit dem außergewöhnlichen Gehäuse und sandte Hausdorf Fotoaufnahmen des Tiers zu. Später – nachdem das Tier nach einigen glücklichen Schneckenjahren verstorben war – spendete sie das verbliebene Gehäuse der Malakologischen Sammlung des LIB. In der Sammlung des LIB sind neben diesem skurrilen Fund der einheimischen Weinbergschnecke noch 27 weitere Helix-Arten aus Südeuropa, Vorderasien und Nordafrika in den Schubladen sicher verstaut.

 

© NHM Wien Bornsammlung Cornu copiae (MO14357)
Das „Füllhorn“ im Naturhistorischen Museum Wien. © NHM Wien Bornsammlung Cornu copiae (MO14357)

 

Im Naturhistorischen Museum in Wien lagert ein weiteres besonderes Schneckenhaus mit Treppenhaus-Form. Der Wiener Naturforscher Ignaz von Born, beschrieb nach diesem Exemplar die Gattung und Art der Gefleckten Weinbergschnecke: Cornu copiae (lateinisch für „Füllhorn“), an das ihn das Gehäuse offenbar erinnerte. Eigentlich besagen die Namensregeln der Zoologie, dass Fehlbildungen nicht die Grundlage für Namensgebungen sein dürfen. Dennoch wurde entschieden, die Gattung der Gefleckten Weinbergschnecke weiterhin Cornu zu nennen.

 

Kontakt
Prof. Dr. Bernhard Hausdorf
Leiter der Sektion Mollusca
Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels
Tel.: +49 40 42838-2284
E-Mail: hausdorf@zoologie.uni-hamburg.de

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