Gesichter des LIB: Katharina Schmidt-Loske

„Ich liebe es, die Natur genau zu betrachten und die größeren Zusammenhänge zu verstehen.“

© LIB, Schmidt-Loske

 

Sie befasst sich mit Fragen rund um die Historische Biologie: Als wissenschaftliche Leiterin des Biohistoricums in Bonn sammelt und erforscht Dr. Katharina Schmidt-Loske Nachlässe, Briefe, Illustrationen und Porträts, die einen Bezug zur Geschichte der Biologie im deutschsprachigen Raum haben. Während sie beruflich eine Vorliebe für die Schmetterlingskunde hat, wandert sie privat gerne mit ihrer Familie in der Eifel.

Was hat Sie zur Biologie geführt? Gab es ein Schlüsselerlebnis?

Mein frühes Kindheitsinteresse an Tieren und Pflanzen, das meine Eltern stets gefördert haben. Zum Museum Alexander Koenig hat mich meine Diplomarbeit geführt und meine enge Zusammenarbeit mit Professor Clas Naumann und seinem Team.

Welcher Aspekt Ihres Berufsalltags ist Ihr Highlight?

Die spannenden Inhalte meiner Arbeit und die Analyse von Nachlässen wichtiger Biologinnen und Biologen im Archivbestand des Biohistoricums inspirieren mich am meisten. Schön finde ich auch die gemeinsamen Kantinenbesuche mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Haus, die in Coronazeiten leider seltener geworden sind.

Was bedeutet Natur für Sie persönlich?

Ich liebe es, die Natur genau zu betrachten und die größeren Zusammenhänge zu verstehen. Auf einer lebensweltlichen Ebene ist es das Draußensein: die Entspannung, die Besinnung, das Wandern und der Sport. Das Ahrtal liegt bei uns um die Ecke. Dort sind wir besonders häufig. Die Hochwasserkatastrophe im letzten Jahr dort und das damit verbundene Leid hat uns ziemlich mitgenommen. Wir gehen als Familie gerne in der Eifel wandern. Überdies engagiere ich mich in unserer „Dörfergemeinschaft am Thürne e.V.“ und helfe dabei, den „Parcours der biologischen Vielfalt“ wieder aufzubauen. Kommt gerne vorbei, sobald die Hochwasserschäden bei uns behoben sind. Es lohnt sich!

Was bedeutet Ihnen Ihre Arbeit?

Sie ist Broterwerb und Erfüllung zugleich. Ich mag vor allem den Blick in den Lichthof von der Balustrade des Museums aus. Ein besonderer Punkt ist für mich auch das Nilpferd „Hippoline“ im Empfangsbereich. Ich weiß gar nicht wie viele hundertmal meine Kinder darauf herumgeturnt haben.

Welche Tier- oder Pflanzenart hat Ihre ganz persönliche Zuneigung?

Eigentlich liebe ich alles Lebendige. Zugeben muss ich allerdings, dass mich bei meinen frühen ornithologischen Untersuchungen die Lausfliegen an den Vögeln nicht gerade angezogen haben. Auch eine große Freundin von Zecken bin ich nicht, vor allem, wenn ich wieder einmal unseren Hund von Dutzenden dieser Plagegeister befreien muss. Aber so ist das Leben.

Was ist Ihr Lieblingstier?

Der Kranich. Er verkörpert für mich Freiheit. Das Trompeten der großen Formationen am Himmel weckt in mir auch immer Fernweh.

Wie erklären Sie Kindern Biodiversität?

Ich hatte schon als junges Mädchen einen Aufkleber „Artenvielfalt ist Lebensqualität“ auf meinem Fahrrad. Heute wissen wir zwar, dass Biodiversität mehr als Artenvielfalt ist, aber die Grundbotschaft bleibt dieselbe.

Was sollen die Menschen in zehn Jahren mit dem LIB assoziieren?

Sie sollen das LIB nicht nur als Ort, in dem Arten aufbewahrt und beschrieben werden, sehen, sondern auch als Ort, der einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen leistet. Wenn wir es schaffen, viele Menschen zum entsprechenden Mitwirken zu bewegen, haben wir viel erreicht.

Welche Bedeutung hat Ihre Arbeit?

Verstehen kann man die Welt nur nach hinten, gestalten kann man sie nur nach vorne. Beides ist wichtig und zu beidem versuche ich mit meiner Arbeit am LIB einen Beitrag zu leisten. Dass historisch Bedeutendes nicht dem Vergessen anheimfällt und in aktuellen sowie zukunftsgerichteten Forschungen Berücksichtigung findet. Wenn ich mir die Besprechungen meiner publizierten Bücher in wissenschaftlichen Zeitschriften sowie Zeitungen anschaue, scheint dies doch ganz passabel zu gelingen.

Was wären Sie geworden, wenn es mit der Biologie nicht funktioniert hätte?

Meine zweite große Passion ist die Kunst: vor allem das Malen und Zeichnen von Tieren. Aus diesem Grund bin ich auch zeitweise als Buchillustratorin tätig gewesen. Vielleicht wäre ich hauptberuflich in diesem Bereich gelandet.

War Ihre Tätigkeit von Anfang an Ihr Traumjob oder hat sie sich dahin entwickelt? Gab es Alternativen?

Alternativen gibt es immer. Tatsächlich habe ich die Aufgabe von Anfang an gerne wahrgenommen, weil sie so vielfältig und abwechslungsreich ist. Am Anfang mit kleinen Kindern war es natürlich herausfordernd, alles unter einen Hut zu kriegen, aber ich bin immer drangeblieben. Und das war richtig.

Was raten Sie jungen Menschen am Beginn ihrer Berufslaufbahn?

Das richtige Mischungsverhältnis aus Spezialisierung und Breitenwissen ist mir sehr wichtig. Ich selbst finde es wichtig, mich in ein, zwei Bereichen so richtig gut auszukennen, zugleich aber einen Überblick über die Gesamtdisziplin zu haben, damit mir keiner ein X für ein U vormacht.

Haben Sie schon mal in die falsche Richtung gedacht und sind einem Irrtum erlegen?

Grundsätzlich heißt Wissenschaft immer Ergebnisoffenheit, das schließt Fehler ein. Bei der Deutung historischer Texte und Bilder habe ich natürlich mit extrem vielen offenen Fragen zu tun, etwa was die Bestimmung von Arten betrifft. Zum Glück bin ich aber Teil eines weltweiten interdisziplinären Netzwerkes, indem ich jederzeit mit Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Fachrichtungen in den Austausch gehen kann. Momentan quäle ich mich zum Beispiel mit der Frage, ob die Polnische Cochenille-Schildlaus noch im 17. Jahrhundert zur Farbherstellung von Karminrot genutzt wurde oder ob die Mexikanische Cochenille damals den „Weltmarkt“ beherrschte. Bei so einer Frage können mir Historikerinnen und Historiker, Handelsökonominnen und -ökonomen sowie Farbexpertinnen und -experten genauso helfen wie Biologinnen und Biologen.

Ihr größter beruflicher Erfolg?

Mir macht das meiste an meiner Arbeit Freude, sodass ich ungerne einzelne Aktivitäten herausstelle. Wenn ich etwas hervorheben sollte, wären es meine Bücher und die von mir organisierten Sonderausstellungen, etwa zu Fritz und Hermann Müller, zu Alexander von Humboldts KOSMOS und zum künstlerischen Werk meines geschätzten Exkollegen Wolfgang Hartwig. Aktuell ist der größte Erfolg sicher mein gemeinsam mit Helga Prüßmann-Zemper und Brigitte Wirth herausgegebener Band über die Briefe Maria Sibylla Merians. Über die Rezensionen in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und der Naturwissenschaftlichen Rundschau habe ich mich riesig gefreut. Auch das zusammen mit Gerlinde Klatte und Helga Prüßmann-Zemper verfasste Buch „Tenture des Indes“ darf sicher als Erfolg bezeichnet werden. Es gilt als Standardwerk zum Thema und wird international wahrgenommen.
Momentan freue ich mich auf die Arbeit in dem Forschungsverbund „Wert der Vergangenheit“ der Leibniz-Gemeinschaft. Dieser Verbund bietet optimale Vernetzungsmöglichkeiten. Ich koordiniere darin das Lab „Anthropozän“ und forsche zu den Wildformen unserer Getreidesorten auf der Grundlage von historischen Korrespondenzen aus dem 19. Jahrhundert.

 

Dr. Katharina Schmidt-Loske studierte Biologie in Münster, Bonn und Frankfurt am Main. Ihre Diplomarbeit schrieb sie an der Universität Bonn zum Thema Lebensraumansprüche tagaktiver Schmetterlinge. Ihre Doktorarbeit an der Universität Bonn handelte von Maria Sibylla Merian, einer bedeutenden Naturforscherin des 17. und 18. Jahrhunderts, die sie bei Prof. Clas Naumann und Prof. Wolfgang Böhme schrieb.

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